Bauchklatscher der ZDF-Inquisiton

Von Boris Reitschuster

Schon ganz zu Beginn seiner Sendung im ZDF klang bei Markus Lanz etwas von Inquisition an: Man könne Herrn Maaßen keine AfD-Gesinnung unterstellen, zitierte er bei der Vorstellungsrunde den ARD-Journalisten Olaf Sundermeyer – Halb-Freispruch und Anti-AfD-Framing in einem. „Keine AfD-Gesinnung“ klingt ein bisschen wie: „Wir sagen nicht, dass er kleine Kinder frisst, auch wenn der Verdacht herrscht.“ Die ideologischen Frontlinien hatte Lanz damit ganz klar abgesteckt.

Als Maaßen sagt, am meisten vermisse er nach dem Ausscheiden aus dem Amt als Verfassungsschutzpräsident die Informationen, die er früher bekam, und sein Auto mit Fahrer, kommt der nächste als Lob verkleidete Giftpfeil von Lanz: „Wenigstens einmal eine ehrliche Antwort.“

Die Republik stand Kopf, wegen vier Sätzen, die ich geäußert habe“, erinnert sich Maaßen an Chemnitz und seine Aussagen zu dem angeblichen „Hetzjagd“-Video. Und weiter: „Ich sagte mir: ,Wenn vier Sätze ausreichen, die große Koalition zu sprengen, halte ich mich zurück.´“ Besonders spannend sein nächster Satz: „Ich habe die Sätze damals Horst Seehofer vorgelegt, der sagte, einverstanden.“ Was bisher so in der Öffentlichkeit kaum bekannt war – ihn dann aber nicht hinderte, seiner Entlassung wegen dieser Sätze zuzustimmen.

Lanz reagiert auf Maaßens Darstellung immer wieder wie eine Mischung aus pöbelndem Pubertierenden und Inquisitor – mit höhnischem Lächeln oder spöttischen Nachfragen wie: „Sie nehmen mich jetzt aber auf den Arm?“. (Beispiel :Ab Zeitmarke 9.30 hier). Erstaunlich, dass Gäste, die auch nur halbwegs auf der Linie des linksgrünen Zeitgeistes liegen, bei Lanz nicht einmal ansatzweise derart angegangen werden – da wird eher gekuschelt.

„Die Mutter aller Probleme ist, dass die Politik in Deutschland mehr Wunschdenken verfolgt als Realitätssinn, das sehe ich in der Migrationspolitik, das sehe ich in der Klimapolitik, wo die Realität nicht als solche wahrgenommen wird, sondern man wünscht, dass die Realität anders ist“. Darauf Lanz: „Ist das ernsthaft ein Problem? Ist es nicht gut, wenn die Politik sich traut, angesichts ernsthafter Herausforderungen – Sie leugnen ja nicht den Klimawandel – Visionen entwickelt?“

Was für eine Antwort! Zum einen zeigt Lanz damit, dass er Maaßens Aussage nicht kapiert oder nicht kapieren will, und zum anderen hat er gleich noch einen ideologischer Pflock eingeschlagen, wie anfangs mit dem „keine AfD-Gesinnung“. Kein „Klimaleugner“. Das igitt für solche schwingt förmlich mit (dabei gibt es ja kaum Menschen, die leugnen, dass es ein Klima gibt, auch wenige, die den Klimawandel abstreiten, nur daran, dass der Mensch ausschlaggebend dafür ist, äußern auch ernst zu nehmende Wissenschaftler Zweifel, nur kommen diese kaum zu Wort in Deutschland.)

Lanz läuft zu einem Format auf, wie man es eher aus Fernsehsendern in Staaten gewöhnt ist, die man sonst für Probleme mit den Medien kritisiert. Er fragt: „Sie haben gesagt, Sie sind sind nicht vor 30 Jahren in die CDU eingetreten, damit irgend wann 1,8 Millionen Araber in unser Land kommen. Was ist das für ein Satz?“ Der Strahlemann mit dem Sonnenstudio-Lächeln legt größtmögliche Verachtung in seinen Ton, so wie ein Großinquisitor, der den Ketzer fragt, ob er wirklich gesagt habe, dass sich die Erde um die Sonne dreht. „Was ist das für eine Frage“, kontert Maaßen. Darauf Lanz mit Steigerung der Empörung: „Die Frage ist, warum von jemandem Ihrer Intelligenz, Ihres Kalibers, ein so undifferenzierter Satz kommt“.

Maaßen kontert sachlich, die CDU habe früher eine ganz andere Ausländerpolitik gehabt: „Es sind 2,97 Millionen Asylsuchende nach Deutschland gekommen, obwohl um uns herum lauter sichere Drittstaaten sind, und Artikel 16 a Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz Asylrecht besagt, Asylrecht genießt nicht, wer aus einem sicheren Drittstaat kommt.“ Darauf Lanz: „Warum so zugespitzt? Sie sagen 1,8 Millionen Araber. Wissen Sie, wie das klingt?“ Lanz setzt Ekel auf sein Gesicht und in seine Stimme: „Das klingt wie AfD-Sprech!“ Der größtmögliche Vorwurf im Deutschland des Jahres 2019. Und ausgerechnet als Reaktion darauf, dass Maaßen sich auf das Grundgesetz, eines der Grundrechte beruft. Zugespitzt könnte man fragen. Die Reaktion in den sozialen Medien folgte prompt: „Hans-Georg Maaßen zitiert das Grundgesetz, und Lanz darauf: , ,Das klingt wie AfD-Sprech!‘ Es bleibt jedem überlassen, eigene Schlußfolgerungen zu ziehen“ schreibt E. Frieling-Bailey auf Twitter.

Weiter befragt der Moderator Maaßen zu seinem Satz („Ist es das wert?), als habe er mit dem Verweis auf das Grundgesetz eine Straftat begangen. Kein Wort verliert Lanz darüber, dass Maaßen einen Verfassungsbruch diagnostiziert hat. Er macht nicht einmal den Versuch, dagegen zu argumentieren, er ignoriert es einfach Warum? Hat er keine Argumente dagegen?

Anhand von Schlagwörtern versucht Lanz weiter, Maaßen zu diskreditieren. Etwa, indem er sein Wort vom „Shuttleservice“ für die „Seenotrettung“ aufgreift. Maaßen antwortet sachlich, beklagt die Schleuser. Lanz sagt weiter, Maaßen würde Ressentiments bedienen. Wie auf Kommando klatscht das Studiopublikum brav – das keinen einzigen Satz von Maaßen mit Beifall goutiert hat. Repräsentativ scheint die Auswahl der Gäste offenbar nicht zu sein. „Genießen Sie den Beifall“, kontert Maaßen: „Ich werfe den Medien vor, dass sie ein bewußtes Framing machen, dass sie bewußt von Flüchtlingen reden, weil Flüchtling hört sich nach besonders schutzbedürftig an, es sind keine Flüchtlinge, Sie und alle Ihre Kollegen wissen, Flüchtlinge sind Personen, die einen Status erhalten haben, vorher sind es allenfalls Asylsuchende, es sind Migranten“.

Lanz stöhnt auf, versucht zu unterbrechen, doch Maaßen fährt fort: „Sie versuchen damit, eine bestimmte Weltsicht zu generieren, das gleiche, wenn man von Seenot redet, besonders hilfsbedürftig. Ich habe den Affront begangen, Ihnen gegenüber und den vielen Politikern, dass ich dieses Framing nicht akzeptiere, ich akzeptiere es nicht, dass Sie von Flüchtlingen reden, von Seenotrettung, sondern ich erwarte, dass man darüber redet, um was es geht, es handelt sich um Schleusung, diese Tausende bedauernswerten Menschen werden vorsätzlich in Seenot gebracht, und wir mischen mit, weil wir das Geschäft nicht kaputt machen.“ Totenstille im politisch offenbar stramm auf Haltung befindlichen Publikum, keine einzige Hand hebt sich zum Klatschen, als Maaßen ausgesprochen hat.

Totenstille auch, als Maaßen widerspricht: „„Aber es sind ja keine Flüchtlinge, Herr Lanz!“

Lanz kommt in Stottern: „Okay, ich schau mir das noch mal an“ und „das werfen Sie mir jetzt vor, das kann man nicht so machen.“ Er greift in seiner Not zum letzten Argument – Maaßen bekomme mit seiner Wortwahl Applaus von der falschen Seite.“ Das erinnert an den Vorwurf gegen Kritiker des real existierenden Sozialismus in der DDR und Sowjetunion, Ihre Kritik würde Applaus vom Klassenfeind im Westen bekommen. Als Maaßen kontert, Journalisten wie Lanz würden mit ihrem Framing die Gesellschaft spalten, verliert der Moderator die Ruhe: „Also wirklich, das Argument verreckt jetzt auf dem halben Weg hierher“. Oder weiter: „Muss man so eine billige Provokation hinlegen? (…) Sie können doch nicht so eine billige Nummer machen, Sie beleidigen Ihre eigene Intelligenz.““Sie wirken so erschöpft“, sagt Maaßen. „Sie machen mich fertigt“, antwortet Lanz, und sucht Hilfe bei einem anderen Gast – er wendet sich an den stramm auf Zeitgeist getakteten Journalisten Sundermeyer und spielt diesem den Ball zu. Der ARD-Journalist hat in Kuba „Kommunikationswissenschaften“ studiert – und auf der kommunistischen Insel dürfte das wohl eher Agitation und Propaganda bedeuten. Zumindest kann man diesen Verdacht nicht völlig von der Hand weisen, wenn man Sundermeyer genau zuhört. Der behauptet, Maaßen

habe sich, radikalisiert, seitdem er nicht mehr sein wichtiges Amt habe und eine Menge Zuspruch und Applaus aus einer Blase bekommt, so Sundermeyer mit Küchenpsychologie statt Argumenten. Sundermeyer quittiert es mit einem Lächeln, und tritt als Kronzeuge gegen den Ex-Verfassungsschutzpräsidenten auf. Er wirft ihm Wortklauberei vor in Sachen „Hetzjagden“ – bleibt dabei aber sehr im Vagen.

Maaßen bleibt dabei: Es gab keine Hetzjagden, zu dem Zeitpunkt, als etwa in der Tagesschau berichtet wurde, darüber seien die Medien vor Ort und die Behörden einig gewesen. Die ganze Welt habe die Berichte über die Hetzjagden übernommen. „Da muss ich mir wirklich die Frage stellen, was ist die Motivation gewesen, von den deutschen Medien, von Hetzjadgen zu sprechen?“

Darauf Sundermeyer: „Herr Maaßen, Sie machen hier und jetzt und heute weiter, das was Sie machen, ist gefährlich“. „Ja, die Realitäten anzusprechen, mag für manchen gefährlich wirken, möchte man fast hinzufügen. Sundermeyer macht den Ex-Verfassungsschutzpräsidenten für die Aufheizung des Klimas in Deutschland (mit-)verantwortlich. Man könne doch nicht über Wörter streiten, so der Journalist – der in der Sache kein Gegenargument hat. Maaßen sei dafür verantwortlich, dass die Menschen „Lügenpresse“ rufen auf der Straße: „Sie reiten darauf rum“ Darauf der Ex-Beamte: „Das Problem sind Sie, die Medien“. Sundermeyer reagiert empört: „Ich?(…) Sie verstärken den Trend!“ Maaßens Antwort: „Sie verstärken den Trend, wenn Sie Blödsinn berichten!“

Lanz gelingt es, in der ganzen Sendung nicht einmal den Verdacht aufkommen zu lassen, er gehe neutral oder zumindest unvoreingenommen an Maaßen heran. Seine vorauseilende Haltung gipfelt in der Frage an Maaßen: „Welches Spiel spielen Sie? Warum arbeiten Sie nicht konstruktiv mit? Warum so platt?“ Als Maaßen berichtet, die Menschen, die Asylbewerberheime angezündet hätten, seien oft „Menschen aus der bürgerlichen Mitte gewesen, die sich radikalisiert haben“, wird ihm sofort entgegnet: „So wie Sie.“

Die Menschen fänden sich in den Medien nicht mehr wieder, fänden mit ihrer Position dort kein Gehör mehr, sagt Maaßen. Nach ein paar Sekunden Schockstarre, in denen Lanz vergeblich um Worte ringt, antwortet der ARD-Mann Sundermeyer: „Da sind Sie bei Desinformation, das stimmt einfach so nicht. Wir sind jeden Tag unterwegs und bilden das ab, was die Menschen denken.“

Was viele nicht wissen: „Lanz“ wird – zumindest nicht immer – so ausgestrahlt wie es aufgezeichnet wird. Zumindest erlebte ich das, als ich zu Gast in der Sendung war. Und erleichtert, weil ich glaubte, ich hätte mich gut geschlagen. Als ich die Sendung dann Abends auf dem Bildschirm sah, war ich völlig baff – in meinen Augen entscheidende Szenen fehlten, und teilweise wurde durch das Herausschneiden der Charakter des Gesprächs in meinen Augen maßgeblich verzerrt. Dass dieses Schneiden nicht öffentlich gemacht wird, sondern zumindest bei vielen Zuschauern der Eindruck entsteht, es würde alles original gesendet, ist in meinen Augen Etikettenschwindel, ja Mogelei. Interessant. ob und wie bei Maaßen geschnitten wurde.

P.S.: Wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Sendung war, zeigen Reaktionen wie diese auf twitter und facebook:

Dazu mein Kommentar:


Bilder: Screenshots ZDF

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