Bestatter in Kurzarbeit wegen Corona: „Es versterben viel weniger Menschen als sonst“

Wenn man von einer Epidemie oder einer Pandemie hört, dann denkt man auch an viele Todesopfer. So zumindest die übliche Vorstellung von solchen schlimmen Krankheitswellen. Umso merkwürdiger ist eine Nachricht, die schon Ende Juli in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien. Und die leider wohl die Mehrzahl der potenziellen Leser nicht öffnen kann wegen einer Bezahlschranke. Und auch so generell verpuffte in der Medienlandschaft. Mich hat die Überschrift so neugierig gemacht, dass ich kurzentschlossen extra ein Abonnement abgeschlossen habe.

In dem Bericht geht es darum, dass einige Bestattungsunternehmen derzeit so wenige Aufträge haben, dass sie Kurzarbeit anmelden müssen. Das Blatt zitiert das Familienunternehmen „Frye“ in Frankfurt. Dessen Inhaberin Karin Frye sagt: „Es versterben viel weniger Menschen als sonst. So schön das ist, für uns bedeutet es schlimme Einbußen.“ Statt der üblichen fünfzehn Beerdigungen pro Monat gebe es derzeit nur noch fünf.

Regelrecht erschütternd ist eine weitere Aussage von Frye: Sie erklärt den Rückgang damit, dass in den Krankenhäusern weniger operiert werde als sonst. Die meisten Eingriffe gingen gut, so die Bestattungsunternehmerin, aber gerade ältere und schwächere Patienten überstünden ihre Operationen nicht oder erlitten Infektionen mit multiresistenten Keimen. Weil nun weniger operiert werde, gäbe es auch weniger Tote.

Wenn diese Aussage so stimmt, wäre das eine Bankrotterklärung für unser Gesundheitswesen und ein ungeheuerer Skandal. Leider verkennt die Frankfurter Allgemeine die Sprengkraft dieser Aussage, und statt umfassend weiter zu recherchieren und der Sache auf den Grund zu gehen, lässt sie die Behauptung so stehen und verpuffen. Dabei hätte sie mit einer großen Redaktion die Möglichkeit, hier umfassend zu recherchieren und nachzuforschen – die ein kleines Portal wie dieses hier nicht hat.

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Die FAZ führt lediglich an, dass tatsächlich tausende Operationen von den Kliniken verschoben wurden, um für Covid-19-Patienten Reserven vorzuhalten. Das Blatt zitiert die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit der Aussage, die Kliniken hätten erst wieder 65 Prozent der früheren Auslastung erreicht. Aktuelle Zahlen zu Todesfällen in Krankenhäusern habe der Verband aber nicht. Zu den Vorwürfen wurden die Verbandsvertreter offenbar gar nicht befragt.

Auch das Statistische Bundesamt hat keine aktuellen Aufschlüsselungen nach Todesarten. Die aktuellsten beziehen sich auf das Jahr 2018. Bekannt sind nur die aktuellen Zahlen von Todesfällen insgesamt. Die lagen im März beim Durchschnitt der Vorjahre; nur im April waren sie neun Prozent höher als in den Vorjahren. In den Vorjahren gab es allerdings noch größere temporäre Übersterblichkeiten, möglicherweise durch Grippe. Von Anfang Mai bis Ende Juni waren die Sterbezahlen wieder vergleichbar mit den Vorjahren, zuletzt lagen sie sogar unter dem Vorjahresdurchschnitt; neuere Zahlen liegen noch nicht vor.

Während die Bestatterin Frye laut FAZ sagt, auch andere Unternehmer litten unter den Rückgängen, heißt es vom Bundesverband Deutscher Bestatter, dies seien „subjektive Eindrücke, die sich so nicht auf die gesamte Branche übertragen lassen“. Die Zahl der Sterbefälle sei regional sehr unterschiedlich. Umsatzrückgänge durch die Pandemie lägen auch an Absagen von Trauerfeiern und Aufbahrungen. Auch auf den Friedhöfen sei es ruhiger als sonst, heißt es in dem Blatt unter Berufung auf den Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands. Allerdings gibt es dazu nur Schätzungen.

Alles in allem sehr verwirrende Angaben. Die überhaupt nicht in die Grundtendenz der aktuellen Berichterstattung passen. Wurde deshalb die Nachricht aus der Frankfurter Allgemeinen von keinem anderen deutschsprachigen Medium aufgegriffen? Zumindest, wenn man Google-News glauben darf. Dabei hätte so eine Nachricht mit so einer Sprengkraft entweder widerlegt oder aber breit aufgegriffen werden müssen von anderen Blättern, von Radio und Fernsehen – in einer Medienlandschaft, die ihre Aufgabe ernst nimmt. So aber nichts als Schweigen. Und auch bei der FAZ bleibt alles dezent hinter einer Zahlschranke. Merkwürdig.


Bild: Publicdomainpictures.netText: red

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