Die Rückkehr der Hexenjagd Wer widerspricht, kommt an den Pranger

Die Schlagzeilen erinnern an einen Pranger. „Ein Berufsschullehrer soll einem Bericht zufolge im Unterricht die Maskenpflicht relativiert haben“, schreibt die Zeit. Im RBB titelt Talkshow-Dauergast Olaf Sundermeyer: „Ein Corona-Leugner macht Schule“. Sundermeyer nennt den vollen Namen des Mannes. Focus Online bringt den Titel: „Berliner Lehrer leugnet Corona im Unterricht“. Im Text liest es sich dann etwas anders: „Der Mann soll im Unterricht die Pandemie in Frage gestellt und sich in einem privaten Youtube-Kanal als Corona-Leugner gezeigt haben, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg am Donnerstag berichtete.“ Dinge in Frage zu stellen ist die größte Errungenschaft der Moderne und die Grundlage für den Fortschritt, der es uns etwa ermöglicht, solche Texte im Internet zu schreiben und zu verbreiten.

Was hängenbleibt, sind die Überschriften. Der Berufsschullehrer ist jetzt stigmatisiert. Ein Corona-Aussätziger. Bestrafe einen, erziehe hunderte, soll einst Mao gesagt haben. Der Lehrer betreut keine Kinder, sondern lehrt an einer Berufsschule für junge Erwachsene. Warum sollte er dort nicht einmal die Pandemie in Frage stellen dürfen? Gibt es ein Gesetz, das dies verbietet? Leben wir wieder im Mittelalter, wo es Dogmen gibt, bei deren Hinterfragen der Pranger folgt? Nur heute virtuell? Wie kann es sein, dass das Äußern von Zweifeln an der Pandemie durch einen Lehrer in Berlin eine große Schlagzeile in vielen Medien ist, noch dazu gleichzeitig? Wäre es auch eine Meldung wert, wenn ein Berufsschullehrer in Hamburg die Gefährlichkeit von Tuberkulose für seine Schüler relativieren würde? 

Die Rückkehr von mittelalterlichem bzw. totalitärem Denken mit Siebenmeilenstiefeln beunruhigt mich viel mehr als das Virus. In Bayern wird ein Gesundheitsamtschef strafversetzt, weil er Maßnahmen der Regierung hinterfragt. Schon in meiner Schulzeit wurde mir genau das als Musterbeispiel des kritischen, mündigen Beamten vermittelt: Einer, der Befehle hinterfragt und Zweifel auch öffentlich anspricht. Das, so hieß es immer, sei die Lehre aus den Diktaturen. Jetzt gilt das als Anlass für eine faktische Degradierung und erniedrigende Versetzung. Unter Applaus der Menge. So ähnlich müssen die psychologischen Prozesse bei den Hexenverbrennungen funktioniert haben. Wenigstens ist das Feuer heute virtueller Natur, und verbrannt wird nur der Ruf und das soziale Ansehen. „Nur“.

Medien wie der WDR oder Radioeins vom öffentlich-rechtlichen RBB rufen zur Denunziation von Ärzten auf, die Corona „verharmlosen“. Aber wo beginnt Verharmlosung und wo endet Warnung vor Panikmache? Wie soll ein Arzt ein normales Vertrauensverhältnis zu seinem Patienten aufbauen, wenn er Angst haben muss, dass dieser ihn anschwärzt? Stadtverwaltungen richten Online-Portale ein, in denen man jedermann anonym denunzieren kann. Journalisten denunzieren Kollegen, weil ihnen die Art und der Sitz ihrer Masken auf Pressekonferenzen nicht zusagt. Schon Schüler werden zum Melden von Maskenmuffeln aufgefordert. An seiner Schule herrsche ein Klima der Denunziation, das wie ein Netz über allem liege, berichtete dieser Tage ein Schulleiter im Gespräch: Es sei unerträglich. Journalisten, die den vorauseilenden Corona-Gehorsam verweigern und auch nur kritische Fragen stellen oder Kritikern eine Plattform bieten wie ich, werden öffentlich angefeindet und diffamiert. Ein Bremer Unternehmer verlor nach der Teilnahme an der Querdenker-Demo seine Firma. Menschen, die gegen die Maßnahmen protestieren, werden als „Corona-Leugner“ stigmatisiert und man unterstellt ihnen, mit Nazis gemeinsame Sachen zu machen. Diese Verleumdung müssen sie noch selbst finanzieren. Inquisition 2.0, gesponsert durch Gebührengelder.

Ist das wirklich die Welt, in der wir jetzt leben wollen? 

Das Schwarze wird weiß, das Weiße schwarz. Die Dinge werden auf den Kopf gestellt und die Logik ausgeschaltet (siehe hier). Mein Leben lang fragte ich mich seit dem Geschichtsunterricht, wie es passieren konnte, dass Gesellschaften immer wieder kollektiv den Verstand zu verlieren schienen und in eine Art Wahnzustand abglitten. Meistens befeuert von Ängsten, die instrumentalisiert und ausgenutzt wurden. Die Beispiele braucht man nicht zu nennen, jeder kennt sie. Ich habe den Eindruck, gerade so eine Situation live zu erleben. Genau so, wie John Ioannidis von der Stanford University School of Medicine, Professor für Medizin und „laut Berliner Einstein-Stiftung einer der zehn meist zitierten Wissenschaftler der Welt. Der Wissenschaftler, der sich intensiv mit Corona befasst, äußerte schon im Frühjahr die Befürchtung, wir würden reagieren wie ein Elefant, der beim Versuch, einer Hauskatze auszuweichen, versehentlich von einer Klippe stürzt.

Warum können wir nicht rational reagieren wie die Schweden? Die nehmen Corona nicht auf die leichte Schulter. Aber es gibt dort nicht einmal ansatzweise die Panik und die Einschränkungen, die wir in Deutschland und vielen anderen Ländern erleben. Und allen Horrormeldungen zum Trotz fahren die Schweden damit ganz gut (siehe hier). Wobei man hier hinzufügen muss, dass wir noch gar keinen blassen Schimmer davon haben, wie hoch die „Kollateralschäden“ durch die Corona-Maßnahmen bei uns sind. Durch Depressionen, verschobene Operationen, verlorene Existenzen.

Regierung und Medien haben im Wechselspiel gezielt Ängste geschürt und tun das auch heute noch. Ich halte das für ausgesprochen verantwortungslos. Die Urkräfte, die sie damit entfesselt haben, die sich etwa in den Denunziationen und dem Hass auf vermeintliche „Corona-Leugner“ ausdrücken, zersetzen gerade die Fundamente unserer Freiheit, unserer Demokratie und unserer Gesellschaft. Eine Abwägung, ob der umstrittene Nutzen der drastischen Maßnahmen wirklich diese verheerenden Folgen aufwiegt, findet nicht nur nicht statt: Sie ist tabuisiert. Wer sie auch nur fordert, läuft Gefahr, stigmatisiert zu werden.

Man muss ja nicht gleich an heroische Zeiten erinnern, in denen die Menschen bereit waren, für ihre Freiheit zu sterben. Aber die Frage muss erlaubt sein: Wie weit lassen wir elementarste Freiheiten wie die Freizügigkeit, die Unverletzbarkeit der eigenen Wohnung und die körperliche Unversehrtheit einschränken?

Corona katapultiert uns zurück ins Mittelalter. Nein. Nicht Corona. Unsere Regierungen und Medien tun dies. Ob sie es nach bestem Wissen und Gewissen tun oder das Virus nur instrumentalisieren, wird keine große Rolle mehr spielen, wenn wir erst vor dem Trümmerhaufen unserer Freiheit, unserer Demokratie und unseres Wohlstands stehen.

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Bild: Africa Studio/Shutterstock
Text: br
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