Maskenmuffel zu Soziopathen erklärt Wie Medien die Stimmung in der Gesellschaft vergiften

Sie sind die Stigmatisierten der Corona-Zeit: Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keinen Mund- und Nasenschutz tragen können. Während in anderen Ländern wie Tschechien, Schweden und den Niederlanden keine allgemeine Pflicht zu deren Tragen besteht, und etwa in Russland Verstöße an der Tagesordnung und faktisch akzeptiert sind, gleicht in Deutschland der Alltag für „Maskenlose“ oft einem Spießrutenlauf. „Sie werden für Corona-Leugner gehalten und teilweise beschimpft“, klagt Bärbel Brüning, die Geschäftsführerin des Landesverbands “Lebenshilfe NRW”. Werkstätten nähen bereits Armbinden für Betroffene: So eine Kennzeichnung soll sie vor Anfeindungen schützen. Sie ist aber sehr umstritten.

Im August hatte mir ein kranker Rentner geschrieben, der aus Gesundheitsgründen keine Maske tragen kann: “Ich hatte fast Angst, gelyncht zu werden” in der Bahn (siehe hier). Verantwortungsbewußte Medien müssten in so einer Situation versuchen, die Gemüter zu besänftigen. Und alles zu tun, um kein Öl ins Feuer zu gießen. Doch leider tun sie, zumindest teilweise, genau das Gegenteil. Das Magazin GQ brachte kürzlich einen Beitrag mit der Überschrift: „Studie: Menschen, die keinen Mundschutz tragen, haben soziopathische Tendenzen.“ Was für eine Aussage! Im Vorspann wird diese nochmals gesteigert: „Menschen, die keinen Mundschutz tragen, haben laut einer Studie narzisstische Persönlichkeiten. Sie sind also zumeist extrem egoistisch und selbstbezogen.“

Im gleichen Duktus startet der Beitrag selbst: „Es ist immer wieder frustrierend, Menschen zu sehen, die keinen Mundschutz tragen.“ Was für ein Unsinn! Warum sollten etwa Menschen auf der Straße ohne Mundschutz frustrierend sein? Weiter heißt es: „Noch schlimmer ist es, Menschen zu sehen, die sich auch nach Aufforderung weigern, in geschlossenen Räumen eine Maske aufzusetzen, weil sie glauben, dass sie im Recht wären – und damit ihr Leben und das ihrer Umgebung aufs Spiel setzen.“ Diese Meinung kann man durchaus haben. Der Zweifel am Nutzen von Vorschriften befreit im Zweifelsfall nicht von der Pflicht zu deren Einhaltung. Aber müsste man nicht als Journalist darauf hinweisen, dass es durchaus auch Zweifel am Nutzen der Masken gibt, bevor man von einer Gefahr für das Leben spricht? Wäre es nicht fair, auch zu schreiben, dass etwa die Niederländische Gesundheitsministerin Tamara van Ark sagte, es gebe keine medizinischen Beweise für den Nutzen von Mundschutz?

Weiter steht da: „Jetzt deuten einige Studien darauf hin, dass dieser mangelnde Wille, Sicherheitsmaßnahmen zu befolgen und eine Maske zu tragen, die Folge einer soziopathischen oder narzisstischen Persönlichkeit sein könnte.“ Siehe da – im Vorspann hieß es noch solche Leute haben „laut einer Studie“, narzisstische Persönlichkeiten, jetzt heißt es nur noch: Sie könnten eine haben. Das ist in etwa so sinnvoll, wie zu sagen, alle Eis-Esser könnten eine narzisstische Persönlichkeit haben. Jeder könnte das.

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Weiter steht da: „Eine Studie von Professor Fabian Koich Miguel und seinen Kollegen an der staatlichen Universität von Londrina, einer Stadt im Süden Brasiliens, hat ergeben, dass bei diesen Menschen Merkmale wie „fehlende Empathie, Hang zu Täuschung und Manipulation“ festgestellt wurden, die „auch bei soziopathischen Menschen auftreten können.“ Und sodann, damit das Framing komplett ist, sofort in Klammern: „Lesen Sie auch: Fans von Attila Hildmann fallen auf Satire rein und lösen Shitstorm aus„. Die Aussage ist zunächst einmal völlig nichtssagend. Wenn ich 1000 Schwarzhaarige untersuche, wird man auch bei ihnen wahrscheinlich solche „mit fehlender Empathie, Hang zu Täuschung und Manipulation“ finden können – wie in jeder größeren Gruppe. Die Frage wäre, ob der Prozentsatz besonders hoch ist. Und wenn ja: Wie hoch.

Auch im Weiteren sind keine genauen Zahlen zu erfahren. Es ist davon die Rede, dass von 1600 Befragten 400 zu einer Gruppe mit „antisozialen Persönlichkeitsstörungen“ gehörten. Ist jeder Vierte Soziopath? Doch auch in der 400er-Gruppe verweigern offenbar nicht alle das Masken-Tragen. Denn da steht: „In eben dieser Gruppe fanden sich all die Menschen, die keinen Mundschutz tragen und sich nicht nach den Regeln des Social Distancing richten.“ Wie viele genau? „All die“ können zwei sein von den 400. Oder 398.

Der Text ist ein Musterbeispiel dafür, wie Sprache zum Manipulieren eingesetzt werden kann.

Weiter steht in dem Werk, Soziopathen würden „sogar falsche Nachrichten verbreiten, z.B. dass Mundbedeckungen Krankheiten verursachen würden.“ Woher hat der Autor die Gewissheit, dass diese Aussage falsch ist? Sie wird von vielen Medizinern vertreten. Sollte sich ein Journalist hier wirklich anmaßen, im Besitz der Wahrheit zu sein?

Sodann ist von einer zweiten Studie die Rede: „Sie kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass diejenigen, die sich nicht an die Maßnahmen des Coronavirus halten, zu einem großen Teil Narzissten, Psychopathen und Manipulatoren sind.“ Abgesehen davon, dass das Virus Auslöser der Maßnahmen ist,  aber selbst keine solchen erlassen kann: Wieder bringt der Autor keine Zahlen. Zu einem wie großen Teil? Und woher weiß man, ob die vermeintlich „Emphatischen“ die Wahrheit sagen?

Ist die Niederländische Gesundheitsministerin, die den Sinn der Masken bezweifelt, eine Soziopathin? Sind es die Regierungsverantwortlichen in Schweden und in Tschechien? Und sitzen auch im Bundestag Soziopathen? Als ich im Frühjahr dort war, sah ich kaum jemanden mit Maske – obwohl draußen schon die Pflicht galt. Den Regeln des Hauses zufolge ist das Tragen der Masken dort nur eine Empfehlung. Also freiwillig (nachzulesen hier). Haben wir es gar mit institutionalisierter Soziopathie in der Volksvertretung zu tun?

Diese Fragen zeigen, wie absurd es ist, was in dem Beitrag unterstellt wird.

Menschen, die Vorschriften kritisch hinterfragen, als krank, „asozial“ und psychopathisch hinzustellen, ist ein typisches Merkmal totalitärer Regime. Dass solche Unsitten heute wieder so gängig sind, macht genauso Angst wie ein gefährliches Virus. Und leider ist das Problem nicht auf Deutschland begrenzt: Der Beitrag im deutschen GQ ist aus der mexikanischen Ausgabe in die deutsche übernommen worden.

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Bild: ArekSanz/Shutterstock
Text: red

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