Warum linkes Pack nicht gleich rechtes Pack ist Was Sigmar Gabriel darf, darf die Polizei noch lange nicht.

Drei Tage lang lieferten sich Linksextreme in Leipzig-Connewitz regelrechte Straßenschlachten mit der Polizei. Sie bewarfen Beamte mit Steinen und riskierten damit, dass diese schwerste Verletzungen erleiden. Sie zündeten Mülltonnen an und errichteten brennende Barrikaden auf Straßenbahn-Schienen. Mehrere Polizisten wurden verletzt. In den Medien wurde über die Gewaltexzesse eher beiläufig berichtet (siehe hier).

Aber dann schwappte doch noch ein Sturm der Entrüstung durch den Blätterwald und die sozialen Netzwerke. Nicht etwa über die Gewalttäter. Sondern über die Polizei. Was hatte die angestellt? Hat sie ihrerseits Linksextreme traktiert und mit Angriffen deren Gesundheit aufs Spiel gesetzt? Nein. Sie hat auf twitter einen fremden Tweet geteilt: „Gestohlene Räume von Leuten, die sich das erarbeitet haben. Davon hat das linke Pack natürlich keine Ahnung.“ Es war nicht die Polizei Leipzig, die das sagte. Sie hat lediglich diese Aussage zitiert.

Das schien viele Journalisten und Twitter-Nutzer weit mehr aufzuregen als die Gewalt gegen die Beamten. Obwohl die im Zweifelsfall lebensgefährlich war. Denn Menschen mit Steinen zu bewerfen ist kein Kavaliersdelikt. In vielen Medien war nun nicht mehr diese linke Gewalt der Aufhänger – sondern die Reaktion. So titelte die einst bürgerliche Welt, die heute konsequent gegen die eigene Leserschaft anschreibt: „Linkes Pack“ – Polizei Sachsen entschuldigt sich für Retweet“. Der Artikel darunter beginnt wie folgt: „Nach den Ausschreitungen in Leipzig-Connewitz teilt die sächsische Polizei bei Twitter einen beleidigenden Beitrag über linke Hausbesetzer – und entschuldigt sich. Auch die Jugend der Linken empört mit einem Tweet.“

Die gleiche Jugend der Linken, die zuvor ein Foto mit einem ihrer Stände in Leipzig-Connewitz auf twitter veröffentlicht hatte, auf dem ein Sticker mit den Worten „Advent, Advent, ein Bulle brennt“ zu sehen war. Diese Worte sind offenbar eine Anspielung auf Zeilen aus einem Lied der Punkband Harlekins: „Advent, Advent – ein Bulle brennt, erst eins, dann zwei, dann drei.“ Die amtierende Justizministerin Sachsens Katja Meier von den Grünen war in den 1990er Jahren Bassistin in der Band.

Auch eine Linken-Abgeordnete hatte zuvor die Gewalt gegen die Staatsdiener mit angestachelt. Auf Twitter teilte Juliane Nagel diesen Tweet: „Wir haben gerade ein Haus in der Bornaischen Straße / Stö besetzt und brauchen jetzt Support! Die Bullen sind da!“ Später relativierte Nagel die Gewalt: „Ich verharmlose nicht, was passiert ist, aber ich finde es trotzdem schlau, als erstes nach dem Warum zu fragen. Offensichtlich ist der Unmut und die Situation auf dem Wohnungsmarkt inzwischen so schwierig, dass die Leute zu Gewalt greifen“, sagte sie Bild.

Wie muss sich ein Polizeibeamter fühlen, der drei Tage lang den Kopf hinhalten musste in Connewitz, und dann so etwas liest? Der dann hört, dass seine Behörde unter Beschuss ist, statt der Gewalttäter? Nur, weil sie einen Tweet geteilt hat? Dass sich die Polizei dafür entschuldigen musste? Pack ist kein schönes Wort. Doch selbst Minister wie Sigmar Gabriel gebrauchten es schon. Er nannte so fremdenfeindliche Randalierer 2015 in Heidenau. Zumindest Teile der Presse waren davon angetan und bezeichneten Gabriels Beschimpfung als „Klartext“:

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), zu dessen Eigentümern auch die SPD gehört, schrieb erst Ende August: „Fünf Jahre nach Ausschreitungen von Heidenau: Gabriel findet Wort ‘Pack‘ weiter richtig.“

Wie kommt es, dass ein amtierender Wirtschaftsminister Sympathien erntet, wenn er gewalttätige Rechtsextreme als „Pack“ beschimpft? Und noch fünf Jahre später sagt, dass er Recht hatte. Und gleichzeitig die Polizei sich dagegen entschuldigen muss, wenn sie nicht selbst diesen Ausdruck für gewalttätige Linksextreme verwendet, sondern nur ein entsprechendes Zitat verbreitet?

Viele sind inzwischen müde geworden, sich über diese Doppelmoral und dieses Messen mit zweierlei Maß zu wundern oder gar aufzuregen. Ich verstehe das nur zu gut, weil es Alltag geworden ist. Und weil es die Nerven schont, wegzusehen. Aber ich finde: Wenn man sich daran gewöhnt, abstumpft, sich nicht mehr darüber wundert, dann wird man Teil davon. Zumindest als Journalist.

PS: Warum hat Bundespräsident Steinmeier eigentlich keine Polizisten eingeladen und ausgezeichnet, die in Connewitz drei Tage lang von Linksextremisten heftig attackiert und verletzt wurden? Oder ist mir da etwas entgangen?

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Bild: iStock

Text: red

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