Faustrecht mitten in Berlin

„Du Hundesohn! Du Mutterficker! Du Stück Scheiße!“ Nachdem ich heute am Savignyplatz auf meinem Fahrrad angefahren wurde, gab es noch jede Menge Beschimpfungen – und um ein Haar Prügel. Aggression ist Trumpf – und Angst vor Konsequenzen Fehlanzeige. Unten die ganze Geschichte.

Ein junger junger Testosteron-Junkie hatte mich beim Rechtsabbiegen übersehen und mit dem Kotflügel touchiert. Statt sich zu entschuldigen, attackierte er mich mit fast fehlerfreiem Deutsch (vor allem in Sachen Schimpfwörter). Offenbar hatte er Sorge, dass mein Bein sein Blech gekratzt hat. Er stieg aus, lief drohend auf mich zu, schmiss eine Dose auf mich, als ich mein Handy aus der Tasche nahm, um die Beschimpfungen aufzunehmen.

„Ich blieb stoisch stehen und drückte mein Kreuz durch – in Moskau gelernt. Das schien ihn zu irritieren, und er ließ von mir ab. So zumindest meine – naive – Hoffnung. Von den ganzen Gaffern sagte keiner ein Wort. Alle neugierig, aber mucksmäuschenstill.

20 Sekunden später und 100 Meter weiter. Ein Wagen überholt mich quietschend, schneidet mich von links, so scharf, dass ich fast vom Rad falle. Der Testosteron-Junkie. Er stellt den Wagen quer, so, dass ich nicht weiter kann. Er springt aus dem Wagen und auf mich zu – mit neuen Beleidigungen. Als ich eine Schlägerei schon für unausweichlich halte, kommt ein sehr kräftiger Mann mit dem Fahrrad wie der Deus ex machina und bremst: „Finger weg von dem Mann!“, ruft er fehlerfrei, mit starkem Akzent. Zwischen den beiden kommt es zum Schreigefecht. Mein Schutzengel ist dem jungen Adrenalin-Protz dann doch zu kräftig: Mit übelsten Schimpfwörtern steigt er zurück in seinen Wagen. Mein Helfer lacht etwas verlegen: „Ich bin extra her gefahren, habe gesehen, wie der sie angreift, und dass niemand hilft!“. Ich danke ihm überschwänglich. „So viel Aggression hier. Schlimm“, meint er.

Wobei ich nicht weiß, was schlimmer ist. Ich glaube, nicht der völlig überdrehte Testosteron-Junkie. Sondern die Tatsache, dass er mit so einem Verhalten hierzulande bis jetzt offenbar durchgekommen ist bzw. sich zumindest ziemlich sicher scheint, dass er dafür keine Konsequenzen zu fürchten hat. Und dass den ganzen Gaffern die Zivilcourage fehlte, etwas zu sagen. Mut macht dagegen die Reaktion des anderen Fahrradfahrers – Respekt vor solchen Menschen!!

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