Der Emir von Dresden

Gastbeitrag von Lukas Mihr, Historiker und freier Journalist

Der niedersächsische Landesverband der Linksjugend solid gratulierte jüngst den Muslimen in Deutschland zu Beginn des Ramadan. Nichts Ungewöhnliches, in vielen Parteien hat sich diese Sitte eingebürgert. Das Bildmotiv jedoch fiel sofort ins Auge. Es küssen sich: Ein Araber und ein Israeli sowie zwei Frauen im Kopftuch.

Die Botschaft war äußert provokant und vor allem – mutig. Schließlich ist die Linkspartei sonst an vorderster Front dabei, die Verbrechen des Islam zu verteidigen. Die Jugendorganisation legt jedoch den Finger in die Wunde und spricht Antisemitismus, Homophobie und Frauenverachtung offen an.

Wie zu erwarten war, stieß die Botschaft auch auf Kritik. Viele Linke sahen in dem Bild eine Respektlosigkeit gegenüber dem Islam oder gar Rassismus. Genau dieser Effekt war wohl auch beabsichtigt.

Was solid Niedersachsen aber wohl kaum vorhersehen konnte: Auch aus der AfD kamen nahezu identische Reaktionen. Der stellvertretende sächsische Parteivorsitzende und Europaparlamentarier Maximilian Krah äußerte sich auf Facebook, weitere Parteifreunde beteiligten sich an der Debatte.

Konservative sollen Islam respektieren

Das Posting der Linkspartei sei eine „Verhöhnung” und „Niveaulosigkeit”, an der sich Konservative nicht beteiligen sollten. Der Islam als Religion mit über einer Milliarde Anhängern verdiene Respekt.

Es ist nicht nur verwunderlich, dass Krah den Islam überhaupt respektiert, sondern auch, dass er Respekt als etwas ansieht, das sich einfach einfordern lässt. Respekt aber muss man sich verdienen. Und solange der Islam die Menschenrechte mit Füßen tritt, hat er keinen Respekt verdient. Ganz einfach.

Um seiner Forderung mehr Gewicht zu verleihen, fügt Krah hinzu, dies sei „eine Frage der Kinderstube”. Aber damit lässt sich so ziemlich alles begründen. Und tatsächlich: Hasnain Kazim hatte erst vor wenigen Wochen im Spiegel gefordert, die Meinungsfreiheit einzuschränken und tatsächlich als Argument aufgeführt, dass man ja schließlich auch Kindern verbiete, Schimpfworte zu benutzen.

„Der Islam ist mit unserer Zivilisation inkompatibel. Deshalb gehört er nicht zu Deutschland. Aber natürlich gehört er zu Saudi-Arabien.“

Diese Logik kann Krah gern all denen erklären, die aus Furcht um ihr Leben aus Saudi-Arabien fliehen mussten. Menschenrechte gelten eben für alle Menschen, nicht nur für Europäer.Christen und Muslime gegen sexuelle Minderheiten

Der amerikanische Evangelikale Dinesh D’Souza sah in den Liberalen die eigentlichen Schuldigen der Terroranschläge vom 11. September 2001. Ihre Sexualmoral habe den Hass in der arabischen Welt befeuert. Westliche Werte will er zurücknehmen, um Amerika vor neuen Angriffen zu schützen. Wie praktisch, dass seine und die islamische Homophobie übereinstimmen.Aber man sollte bedenken: Ein Einknicken wird nie als Geste der Versöhnung, sondern stets als Zeichen der Schwäche gesehen.

Appeasement ist eine Speise, die nicht satt, sondern hungrig macht.Krah weiter:

„Wenn die kulturelle Überlegenheit der westlichen Zivilisation gegenüber dem rückständigen Islam in der offenen Homosexualität und Missachtung der religiösen Tradition liegt, dann befürchte ich, dass wir nicht nur keinen Moslem überzeugen werden, sondern früher oder später diesen Kulturkampf verlieren. […] Die Ägypter brauchen keine Missionare, die ihnen Homoehe, Gendertheorie etc. bringen.”

Auf die Genderideologie kann Ägypten tatsächlich gut und gerne verzichten, aber warum sollten ägyptische Schwule kein Recht haben, ihren Partner zu heiraten?Krah hat als Anwalt die ultrakonservative Piusbruderschaft vertreten, die sich unter anderem nostalgisch über Gefängnisstrafen für Homosexuelle geäußert hat. AfD-Mitglieder hatten in der Vergangenheit Sympathie für den Umgang des Islam mit Homosexuellen geäußert. Der Blick ins Ausland zeigt, dass es hier sogar zu Allianzen kommen kann. In Ontario, New Jersey und Birmingham hatten sich christliche und islamische Eltern zusammengefunden, um ihre Kinder gemeinsam vor dem Sexualkundeunterricht zu „schützen“.

Gute Beziehungen zum Orient

Krah betont, gerade weil ihm Deutschland am Herzen liege, sei er an guten Beziehungen zum Orient interessiert. Aber sind diese wirklich so wichtig, wie es den Anschein hat? Unter Deutschlands 15 wichtigsten Importpartnern ist kein einziges islamisches Land vertreten, unter den 15 wichtigsten Exportpartnern nur ein einziges, nämlich die Türkei. Und was ist mit dem Erdöl? Das kommt – anders als gedacht – hauptsächlich aus Russland und Norwegen. Zudem verkauft Saudi-Arabien sein Öl nicht einfach aus Humanismus an den Westen, sondern weil es kräftig verdienen will. Auch Fundamentalisten wissen um den Wert des Geldes.

Davon einmal abgesehen gilt: Wer nur auf den eigenen Vorteil bedacht und keine Opfer zu bringen bereit ist, wird die Welt nicht verbessern.

Wie weit sollen die guten Beziehungen zum Orient eigentlich gehen? Wäre dies der Maßstab, müsste man ja schließlich ebenso Großmoscheen in Deutschland freundlich gegenüberstehen. Und auch ein Ende der Unterstützung für Israel würde auf Sympathien in der arabischen Welt stoßen. Dritter Weltkrieg?

Laut Krah dürfe man den Islam nicht als solchen ablehnen, denn es drohe ein „religiös und kulturell begründeter Weltkrieg.” Doch ein falsches Dilemma ist ein billiger Weg, sich vor Kritik zu immunisieren. Zwischen den Polen Appeasement und Massenmord liegen viele Abstufungen. Und auch die meisten Neocons dürften mittlerweile eingesehen haben, dass der Irakkrieg, der dem Nahen Osten die Demokratie bringen sollte, nur großes Chaos angerichtet hat.

Aber dieses Dilemma ist gleich doppelt falsch. Krahs Mitleid mit den Arabern ist nur geheuchelt. Warum sollte er Tote durch westliche Militäroperationen im Nahen Osten bedauern? Ihn kümmert es schließlich auch nicht, wenn Syriens Diktator Baschar al Assad Giftgas gegen das eigene Volk einsetzt (entsprechende Meldungen bezeichnet er als „Fake News“), wenn Frauen gesteinigt werden oder wenn Schwule vom Baukran hängen.

Linksextreme wollten einen „identitätslosen, entwurzelten Verbraucher, den perfekten Untertanen jeder Obrigkeit” erschaffen. Der Islam sei das „Gegengift“ gegen diese „brave new world.”

Der Emir von Dresden

Krahs Haltung in Bezug auf die „linksextremen Rotzer“ war glasklar:

„Wenn ich die Wahl zwischen der Linksjugend Solid und dem Emir von Dubai habe, dann wähle ich – nenn‘ es elitär – den Emir.“ Hier schließt sich der Kreis zu Dinesh D’Souza, denn dieser hatte fast gleichlautend erklärt:

„Ich würde lieber mit Michael Moore als mit dem Großmufti von Ägypten ein Baseballspiel besuchen oder einen trinken gehen. Aber wenn es um Grundüberzeugungen geht, muss ich gestehen, dass ich dem würdevollen Kerl in der langen Robe und den Gebetsperlen näher stehe als dem schludrigen Kerl mit der Baseballkappe.“ Muhammad bin Raschid Al Maktum, der Emir Dubais, tyrannisiert seine Familie. Zwei seiner Töchter hatten versucht, das Land zu verlassen, wurden jedoch von den Behörden gestoppt und gefoltert. Bis heute sind sie inhaftiert. Einer seiner Ehefrauen, der er wiederholt mit dem Tod gedroht hatte, gelang die Flucht nach London.

In den vergangen Jahren kam es immer wieder vor, dass westliche Touristinnen in Dubai vergewaltigt wurden, ihre Vergewaltigung anzeigten, nru um anschließend verhaftet zu werden – denn schließlich hatten sie außerehelichen Sex gehabt. Natürlich werden auch einheimische Frauen in Dubai vergewaltigt, doch sind sie – zynisch gesprochen – klug genug, nicht zur Polizei zu gehen.

Offenbar verstehen sich die Emire von Dubai und Dresden blendend.„Ausdruck universalistischer Arroganz“

In der Debatte meldete sich auch Tomasz Froelich zu Wort. Dieser ist nicht nur stellvertretender Vorsitzender der Jungen Alternative und Pressesprecher der EU-Delegation, sondern auch der ehemalige Büroleiter Jörg Meuthens.

Für ihn ist Islamkritik „Ausdruck universalistischer Ignoranz.“ Der Islam gehöre nicht nach Europa, die westlichen Maßstäbe aber „auch nicht zwingend in den Orient“.

„Der Islamismus ist eine reaktionäre und radikale Antwort auf die Verwestlichung des Orients, die durch Besatzung und Interventionismus befeuert wird. […] Soll man diese Länder jetzt alle im Namen ‘universalistischer Werte’ bombardieren, die Muslime ausrotten und dort Demokratie nach westlichem Vorbild einführen, was eh zum Scheitern verurteilt ist? […] Die irren Neocons können es in ihrem furor transatlanticus doch kaum erwarten, wenn im Orient mal ein paar Bomben explodieren. Wir haben das doch erst zu Beginn des Jahres erlebt, wie kriegslüstern einige unterwegs waren und sich an zerfetzten Leichen ergötzt haben, als die Lage in Teheran zu eskalieren drohte.“

Bei Froelich und bei Krah klingt es ganz so, als handele es sich beim Islam um eine an sich friedliche Religion, deren Gewaltakte in den vergangenen beiden Jahrzehnten nur eine unschöne, aber eben verständliche Begleiterscheinung der westlichen Militäroperationen seien. Kein Wort darüber, dass es sich bei der zerfetzten Leiche um Qasem Soleimani handelt, der als Anführer der iranischen Al-Quds-Brigaden für zehntausende tote Zivilisten in Syrien, dem Irak und dem Jemen verantwortlich ist.

Hetzjagd gegen Ali

„Die ach so tolle westliche Zivilisation […] widert mich immer mehr an.“ Er wolle sich an keiner

„Hetzjagd am konservativen Ali, der mir meinen Döner serviert oder mir sein Gemüse verkauft“, beteiligen, denn das seien „sehr häufig hochanständige Menschen“.

Der hessische Kommunalpolitiker Axel Weber meldete sich ebenfalls zu Wort. Er sei gegen „billiges Islamgebashe“ mit „linken, kulturmarxistischen Argumenten“. Solle man den Islam etwa mit „Bildern vom Schweinefleischfressen und Weibern im Bikini“ provozieren?

Die weibliche Genitalverstümmelung sei zudem deutlich älter als der Islam. Antisemitismus ist allerdings auch älter als der Nationalsozialismus – und entschuldigt das etwas?

Roman Pankratow, der als Moderator in den Videos der Bundestagsfraktion auftritt, beteiligte sich ebenfalls an der Diskussion:„Von mir aus können Muslime in ihren Ländern tun, was sie wollen, denn Moral ist subjektiv. […] Ich respektiere auch, dass indigene Völker Mädchen Genitalverstümmeln und Affen fressen. […] Ich respektiere es als Teil der menschlichen Vielfalt.” Dem Verbrechen der Genitalverstümmelung bringt er Respekt entgegen. Da er seine Haltung mit der „Vielfalt“ begründet, könnten ihm auch viele Linke zustimmen, denn für sie ist „Diversity“ der oberste Götze.Respekt für GenitalverstümmelungZur Klarstellung: Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich etwa 100.000 Mädchen und Frauen an den Folgen der Genitalverstümmelung. Und das sind nur die Fälle, in denen sie misslingt. Sinn und Zweck ist es, Frauen durch enorme Schmerzen ihrer Sexualität zu berauben.

Die meisten Menschen haben ein intuitives Unrechtsbewusstsein. Pankratow nicht. Wer kein Problem mit Genitalverstümmelung hat, dürfte in den meisten Fällen zu einer ausweichenden Formulierung greifen, darauf hinweisen, dass sich jahrtausendealte Denkmuster kaum ändern lassen, dass der Einfluss des Westens doch begrenzt sei, etc. Doch Pankratow verwendet eben genau dieses Wort: Respekt.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus

Auch Tobias Habermehl, Schatzmeister im Main-Taunus-Kreis, meldete sich zu Wort.„Wenn Menschen in anderen Kulturen in Saudi Arabien nach dem islamischen Gesellschaftskonzept leben wollen, wenn sie Scharia leben wollen, ist das ihre Sache. Es geht uns nichts an. Wir Rechte wollen unsere Kultur erhalten und gerade deswegen akzeptieren wir auch andere Kulturen. Nur nicht in unserem Land.”Rüdiger Lessel, Fraktionsvorsitzender im Kreistag von Vechta, stimmte diesen Ausführungen zu:„Unsere Aufgabe ist der Erhalt unserer Kultur und unseres Vaterlandes. Unsere Aufgabe ist NICHT die Verwestlichung aller Welt.”

Kooperation mit dem Islam

Dietmar-Dominik Hennig, parlamentarischer Mitarbeiter der baden-württembergischen Fraktion, plädierte für „punktuelle Kooperation mit ‘konservativen Alis’ gegen die kulturmarxistisch versifften BRD-Eliten.”

Die Journalistin Eva-Maria Michels meldete sich ebenfalls zu Wort. Sie berichtete von ihrem Aufenthalt in Palästina. Die dortigen Frauen verachteten die „westlichen Schlampen“, die Gleichberechtigung einforderten. Nicht jeder wolle durch „westliche Werte ‚befreit‘ werden“.Gläubige Christinnen würden respektiert, nicht hingegen „die ‚befreite‘, atheistische westliche Frau.“

Praktischerweise hatten die Palästinenserinnen das Wort „Schlampe“ verwendet – dann muss Michels es nicht tun. Und dass Frauen sich mit ihrem Unterdrücker identifizieren, ist kein Argument, sondern nur Ausdruck einer Charakterschwäche.Keine Reform des IslamDerartige Positionen finden sich auch an der Parteispitze. Hans-Thomas Tillschneider, Islamwissenschaftler und Führungsfigur des Flügels, setzte durch, dass im Bundesparteiprogramm keine Reform des Islam gefordert wurde. Wer die „Islamisierung Europas zurückweise“, dürfe umgekehrt „keine Europäisierung des Islams fordern“:

„Ich will einen Islam, der islamisch ist, und ein Deutschland, das deutsch ist.“

Gauland knickt einAuch Alexander Gauland gehört dem Lager der Islam-Appeaser an. Kurz nach dem 11. September 2001 hatte er gefordert, den Islam zu respektieren und angedacht, die USA sollten ihre Unterstützung für Israel herunterfahren, um weitere Terroranschläge zu vermeiden. Der Misshandlung von Frauen misst er keinen großen Stellenwert bei:„Aber das ist doch nicht mein Problem. Ich will ja nicht, dass der Islam in Europa ist. Deshalb muss ich mich auch nicht mit der Frauenproblematik des Islams auseinandersetzen.“

Was bringt es, wenn sich zwar die Islamisierung des Abendlandes abwenden lässt, Deutschland dafür aber von Politikern regiert wird, die dem Islam Respekt entgegenbringen?


Lukas Mihr schrieb unter anderem „Die Mogelpackung – warum die AfD eine islamfreundliche Partei ist“. Auf reitschuster.de ist von ihm der Beitrag „Neusprech aus Pakistan“ über den früheren SPIEGEL-Autor Hasnain Kazim erschienen.


Gastbeiträge geben die persönliche Meinung des jeweiligen Autors wieder.


Bild: ARD/Screenshot

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