Wie Polizei und Medien in Berlin Gewalt vertuschen Die Schweigespirale:

Kennen Sie Woody Allen, den legendären US-Regisseur und Schauspieler? Mein Lieblingsspruch von ihm lautet: „Ich würde nie in einem Club Mitglied werden, der so heruntergekommen ist, dass er mich als Mitglied aufnehmen würde.“* Etwas abgewandelt trifft dieses Zitat auf meine neuesten Erfahrungen zu: „Wie heruntergekommen ist ein System, wenn für die Aufklärung von massiven Missständen eine kleine Internet-Seite wie meine notwendig ist?“

Neun Tage lang haben die Berliner Polizeiführung und die Medien der Hauptstadt die Vergewaltigung einer 15-Jährigen am Flughafensee, eine sexuelle Nötigung und die Ausschreitungen gegen die Polizei dort am 8. August verschwiegen. Die Beamten wurden mit Gegenständen und Flaschen beschmissen, mussten schließlich den Rückzug antreten, weil sie in der Unterzahl waren. Wie symbolisch: Der Rechtsstaat kapituliert. In internen Behördenpapieren hieß es, auffällig seien „vor allem junge männliche Personen mit Mitgrationshintergrund und dunkler Hautfarbe“ gewesen. Auf twitter gibt es ein Video über das Gedränge dort tagsüber, vor den Ausscheitungen (anzusehen hier). Die Corona-Regeln wurden dort offensichtlich ignoriert.

Vergangene Woche bekam ich von Insidern Hinweise auf die verschwiegenen Ereignisse. Ich prüfte die Quellen intensiv und stellte dann in der Nacht auf Freitag eine Presseanfrage an die Polizei (Kopie unten). Bis heute gab es keine Antwort der Behörde (Aktualisierung: heute am 18.8. am späten Nachmittag kam die Antwort, ich füge sie unten bei). Wegen des Schweigens veröffentlichte ich am Freitagmittag einen Beitrag über die Vorkommnisse (siehe hier). Daraufhin wurde ich mit Kritik überzogen in den sozialen Netzwerken. Auch Kollegen attackierten mich. Das sei kein Journalismus. Ich finde, es ist umgekehrt: Wenn ich Hinweise auf verschwiegene Exzesse bekomme, dann prüfe ich die Quelle. Wenn die glaubwürdig ist, stelle ich eine Anfrage an die zuständige Behörde: Wenn die schweigt, gehe ich an die Öffentlichkeit. Dass dieses elementare Prozedere heute Kollegen nicht mehr verstehen, ist eine journalistische Bankrotterklärung. Nach der Logik würden die Behörden allein bestimmen, wann man etwas berichten darf oder nicht.

Kein anderes Medium griff meinen Bericht auf. Ich legte nach. Mehrmals. Auf twitter. Und dann auch noch auf meiner Seite hier – mit Infos, die so eindeutig waren, so detailliert, dass die Polizeiführung keine Chance mehr hatte. Statt mir zu antworten, bestätigten sie am Montagmittag – drei Tage später! – per twitter die Vergewaltigung. Und sagten, sie hätten sie aus Rücksicht auf das Opfer verschwiegen. In meinen Augen eine zynische Ausrede. Niemand würde Details über das Opfer berichten. Aber wenigstens wären andere Menschen gewarnt worden über die Gewalt. Genau das war auch die Intention meiner Quellen. Die fanden das Schweigen, das Nicht-Warnen der Öffentlichkeit durch die eigenen Behörden verantwortungslos. Auf unterer Ebene scheint das Gewissen noch zu funktionieren, auf oberer offenbar nicht mehr so gut.

Die B.Z. und die Bild griffen nach der Bestätigung die Vergewaltigung auf, neun Tage nach der Tat und drei Tage nach meinem ersten Bericht. Die Artikel gleichen auffallend meinen vorherigen. Als Quelle werde ich nicht genannt. Von der Gewalt gegen die Polizei ist nur am Rande die Rede. Von der Herkunft der Täter gar nicht. Die Berliner Morgenpost setzt dem ganzen jetzt die Krönung auf. Über die Herkunft der Täter könne die Polizei – die offenbar mit jedem spricht nur nicht mit mir als freiem Journalisten – nichts sagen, hieß es da. 

Können die Kollegen nicht mehr selbst recherchieren? Können sie nicht zumindest angeben, dass es in anderen Quellen, die sich als glaubwürdig herausgestellt haben, andere Informationen gibt?

„Partyszene“ in Berlin mit Vergewaltigung – Presse und Polizei schweigen

Was für ein journalistischer Offenbarungseid! Die großen Redaktionen lassen sich von einer kleinen Internet-Seite vorführen, und verschweigen dann einen der wesentlichsten Aspekte. Eine Spirale des Schweigens. Von Behörden und Polizei. Der Journalismus schafft sich selbst ab. Suizid aus ideologischer Verblendung, aus Angst vor Tatsachen, die nicht dem eigenen linksgrünen Weltbild entsprechen. Und attackiert wird derjenige, der die böse Nachricht ans Licht bringt. Nicht diejenigen, die sie verschweigen. Ich habe in keinem Blatt einen kritischen Ton zum langen Verschweigen der Vorgänge gelesen. Denn bei journalistisch sauberer Arbeit hätten die Überschriften lauten müssen: Polizei verschwieg Vergewaltigung und Attacken auf Beamte.

PS: Ein Hinweis an die Kollegen von Bild, B.Z. & Co: Alte Schulweisheit – wenn man schon abschreibt, dann schnell und vollständig!

PS: Servus-TV aus Österreich hat mich heute interviewt zu den Vorgängen und der Schweigespirale. Kein einziges deutsches Medium hat mich kontaktiert. Ausgerechnet RT berichtet ausführlich und unter Nennung der Quelle (siehe hier).

PS: Ich habe großes Vertrauen in unsere Polizisten und weiß aus eigener Erfahrung, was die für einen tollen Job machen. Das Problem ist in vielen Fällen die Führung, insbesondere die politische, die Ideologie vor ihre Pflichten setzt und damit viele einfache Mitarbeiter ständig vor den Kopf stößt! Das musste als Ergänzung noch gesagt werden, weil man ja immer verkürzend von „Polizei“ redet!

PS: Ich diskutiere das Thema heute mit Ihnen im Livestream ab 19.30 Uhr auf Youtube. Fragen gerne vorab per Kontaktformular. Zur Sendung geht es – auch danach  – über diesen Link.


Datum: 14. August 2020 um 02:02:57 MESZ

An: [email protected]

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte um Beantwortung folgender Fragen:

1.) Kam es am Wochenende am Flughafensee in Tegel zu Verstößen gegen die Eindämmungsverordnung? Wenn ja, wie massiv waren diese?

2.) Kam es dort zu Aggressionen gegen Einsatzkräfte der Polizei? Wurden Beamte mit Flaschen und Gegenständen beworfen?

3.) Wir würden sie die Anwesenden vor Ort beschreiben? Treffen Beschreibungen zu, dass es sich dem Augenschein nach zu einem großen Teil um Menschen mit Migrationshintergrund handelte? Und teilweise auch der Clanszene zuzuordnen waren?

4.) Ist der Polizei von einer Vergewaltigung sowie anderen sexuelle Delikten bzw. einem entsprechenden Tatverdacht dort oder im Umfeld am Wochenende etwas bekannt?

5.) Trifft es zu, dass der Einsatz der Polizei am Flughafensee vom Dienstgruppenleiter abgebrochen wurde? Wenn ja, warum? Weil die eingesetzen Polizeikräfte zu stark in der Unterzahl waren?

6.) Trifft es zu, dass für das kommende Wochenende Vorbereitungen getroffen wurden, um eine Wiederholung der Ereignisse zu verhindern? Trifft es zu, dass dazu ein Hubschrauber sowie eine Hundertschaft angefordert wurden bzw. deren Anforderung erwägt wird?

7.) Bitte teilen Sie mir auch weitere verfügbare Details zu dem Einsatz am Flughafensee mit.

Besten Dank im Voraus und freundliche Grüße

Boris Reitschuster

www.reitschuster.de


Hier die Antwort der Berliner Polizei, erhalten am späten Nachmittag des 18.8.2020:

PolPräs .08.2020

PPr St II 3 – 2199/20 902090

Bearbeiter: PHK Paeth

Vermerk: Die Beantwortung der Anfrage basiert auf einer unautorisierten Zuarbeit

von Dir 1 A 11 ED, übermittelt von Dir 1 St 41. 17.08.2020

V

Boris Reitschuster

freier Journalist

E-Mail [email protected]

Corona, Polizeieinsatz Flughafensee Tegel

Ihre E-Mailanfrage vom 14. August 2020

Sehr geehrte Herr Reitschuster,

Ihre Anfrage beantworte ich Ihnen wie folgt:

„Ich bitte um Beantwortung folgender Fragen:“

1. „Kam es am Wochenende am Flughafensee in Tegel zu Verstößen gegen die Eindämmungsverordnung? Wenn ja, wie massiv waren diese?“

Der Flughafensee ist einer der größeren frei zugänglichen Badestellen im Berliner Norden. In diesem Sommer ist ein größeres Besucheraufkommen festzustellen. Am 8. August gegen 19:20 Uhr waren an dem Tag circa 800 Personen an den Badestellen des Sees. Verstöße gegen die Eindämmungsverordnung wurden durch die Einsatzkräfte des Polizeiabschnittes 11 festgestellt. Grundsätzlich wurde das zugewandte Gespräch gesucht, bei dem auf die Einhaltung der Abstandsregeln hingewiesen wurde. Eine Protokollierung der geführten Gespräche fand nicht statt.

2. „Kam es dort zu Aggressionen gegen Einsatzkräfte der Polizei? Wurden Beamte mit Flaschen und Gegenständen beworfen“

Aus einer Gruppe von circa 50 Personen wurden die Kräfte bei dem Einsatz zunächst mit Bällen beworfen und beschossen. Darüber hinaus flogen dann auch Steine und in einem Fall einzelne Flaschen auf eine Einsatzkraft. Verletzt wurden die Einsatzkräfte dadurch nicht. Durch ihr besonnenes Vorgehen erreichten die Einsatzkräfte anschließend eine Lageberuhigung. Tatverdächtige zu den versuchten gefährlichen Körperverletzungen (Würfe) konnten nicht festgestellt werden.

3. „Wir würden sie die Anwesenden vor Ort beschreiben? Treffen Beschreibungen zu, dass es sich dem Augenschein nach zu einem großen Teil um Menschen mit Migrationshintergrund handelte? Und teilweise auch der Clanszene zuzuordnen waren?“

Identitäten wurden nur im Zusammenhang mit strafprozessualen Maßnahmen festgestellt. Bei allen weiteren Badegästen geschah dies nicht, sodass keine Aussage zu Identitäten sowie Hintergründen von Personen getroffen werden können.

4. „Ist der Polizei von einer Vergewaltigung sowie anderen sexuelle Delikten bzw. einem entsprechenden Tatverdacht dort oder im Umfeld am Wochenende etwas bekannt?“

Während des Einsatzes am Flughafensee wurde den Einsatzkräften eine Vergewaltigung und eine sexuelle Nötigung angezeigt.

5. „Trifft es zu, dass der Einsatz der Polizei am Flughafensee vom Dienstgruppenleiter abgebrochen wurde? Wenn ja, warum? Weil die eingesetzen Polizeikräfte zu stark in der Unterzahl waren?“

Der den Einsatz führende Dienstgruppenleiter war aufgrund eines weiteren Einsatzes circa 55 Minuten nach Einsatzbeginn, der gegen 18.40 Uhr war, am Einsatzort und nahm eine Lageeinschätzung vor. Die zuvor am Ort eingesetzten Kräfte hatten die Aufnahme der bis dahin bekannt gewordenen strafrechtlich relevanten Sachverhalte abgeschlossen. Größere Gruppierungen waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr feststellbar. Eine Personenansammlung um eine Musikanlage mit Diskjockey wurde durch die Einsatzkräfte noch beendet. Nachdem sich eine deutliche Lageberuhigung eingestellt hatte, wurden die Kräfte ab 19.50 Uhr mehrschrittig reduziert.

6. „Trifft es zu, dass für das kommende Wochenende Vorbereitungen getroffen wurden, um eine Wiederholung der Ereignisse zu verhindern? Trifft es zu, dass dazu ein Hubschrauber sowie eine Hundertschaft angefordert wurden bzw. deren Anforderung erwägt wird?“

Die Erfahrungen des hier beschriebenen Einsatzes flossen in die Einsatzplanung des zuständigen Polizeiabschnittes 11 für das darauffolgende Wochenende ein. Diese durchgeführten Präsenzmaßnahmen mit eigenen Kräften mit angepasstem Kräfteansatz bewirkten eine Lagenormalisierung am vergangenen Wochenende.

7. „Bitte teilen Sie mir auch weitere verfügbare Details zu dem Einsatz am Flughafensee mit.“

Rund 40 Einsatzkräfte von den Polizeiabschnitten 11, 12, 13, zwei Diensthundführer mit einem Diensthund und Einsatzkräfte der 32. Einsatzhundertschaft waren am Einsatz beteiligt. Zur Anzeige gebracht wurden eine Vergewaltigung, eine sexuelle Nötigung, ein schwerer Landfriedensbruch, drei gefährliche Körperverletzungen, eine einfache Körperverletzung und ein Diebstahl.

Mit freundlichen Grüßen

2. PPr St II 3 zur Fertigung und Absendung der Reinschrift per E-Mail

3. PPr St II 3 z.d.A.

4. Kopie von 1. an LPD St 41, PPr St II 1 Gremienbüro, Pressestelle SenInnDS

PPr St II 3 I.A.

VPr

PPr’in vor Ausführung vorgelegt


*) Ein Leser machte mich darauf aufmerksam, das eingangs angeführte Zitat stamme ursprünglich von Groucho Marx, von dem es Woody Allen übernommen habe. Das sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt.

Bild: YouTube/Screenshot/ReitschusterText: br

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