Erneut: EU führt bei Migration und Asyl Öffentlichkeit hinters Licht

Ein Gastbeitrag von Josef Kraus

Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 hat Deutschland die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union (EU) inne. Da kann die „Königin von Europa“ namens Merkel ihre humanitäre Gesinnung noch einmal so richtig ausleben. Es steht ja auch ein Programm an, das ihr auf den Leib geschnitten ist. Zum Beispiel ein neuer EU-Migrations- und Asylpakt – nachzulesen hier.

Angekündigt war dieser Plan bereits am 29. Januar 2020. Bezeichnenderweise rangierte er unter der Zwischenüberschrift „Förderung unserer europäischen Lebensweise“ (sic!). Es soll „ein umfassender, nachhaltiger und krisenfester Rahmen für die Steuerung von Asyl und Migration in der EU geschaffen werden“. Er umfasst die gesamte Migrationsroute – von den Herkunfts- und Transitländern bis zu den Aufnahmeländern in der EU. Schlupflöcher sollen angeblich geschlossen werden, damit die EU-Länder „eine wirksame Asyl- und Migrationspolitik durchführen und umsetzen können.“ Als Ziel wird unter anderem angegeben: Es soll ein „modernisiertes gemeinsames europäisches Asylsystems mit einem neuen Solidaritätsmechanismus (sic!) und mit Wegen für legale (sic!) Migration zusammen mit einer stärkeren Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern geschaffen werden

Und dann kommt man aus dem Stauen nicht mehr heraus. Vier Wochen dürfen sich EU-Bürger dazu einbringen: „Die Kommission möchte Ihre Meinung einholen.“ Zwischen dem 30. Juli und dem 27. August (Mitternacht) 2020. Dazu das große Versprechen: „Den eingehenden Rückmeldungen wird bei der weiteren Entwicklung und Feinabstimmung der Initiative Rechnung getragen.“ Aber damit der aktive Bürger sich nicht zu viel verspricht, heißt es noch: Alle in der Roadmap beschriebenen Elemente der Initiative, einschließlich ihres Zeitpunkts, können sich ändern. Besonders bemerkenswert: Die „Roadmap“, anhand der sich die Bürger ihre Meinung bilden und reagieren können, gibt es nur auf Englisch.

Und so weiter, und so weiter! Was steckt dahinter? Ja, es steckt ein langfristiger Plan dahinter, der auf allen Ebenen verfolgt wird. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ein EU-Gremium im Endeffekt die Tore Europa weiter öffnen will. Holen wir ein wenig aus: Am 26. März 2019 verabschiedete das Europäische Parlament (EP) eine Entschließung mit dem Titel „Die Grundrechte von Menschen afrikanischer Abstammung“. Von den damals 751 Mitgliedern des Europäischen Parlaments stimmten 535 dafür, 80 dagegen, 44 enthielten sich, 92 waren nicht anwesend. In der Öffentlichkeit gab es dazu zu diesem Zeitpunkt keinerlei Berichterstattung oder gar Debatte. Die sog. Leitmedien berichteten nichts. Dieses Schweigen hatte wohl mit den vom 23. bis 26. Mai 2019, in Deutschland am 26. Mai, stattgefundenen Wahlen zum neuen Europäischen Parlament zu tun.

Was das EP hier auf den Weg gebracht hat, kann man ohne Übertreibung unter den Titel stellen: „Europa schafft sich ab.“ Also darf man vermuten, dass die Entschließung unter der Decke gehalten werden musste. Die als rechtspopulistisch etikettierten Parteien hätten ja daraus bei der Wahl zum EP Stimmen für sich gewinnen können. Erst mit einer fast neunmonatigen Trächtigkeit wird die EP-Entschließung bekannt. Die sog. Leitmedien, die in Brüssel üppigst personell ausgestattet sind, schwiegen sich aus, sie betreiben lieber Hofberichterstattung.

Konkret: Es ist in der EP-Entschließung die Rede von Menschen afrikanischer Abstammung „in Europa“, und es wird zunächst suggeriert, hier gehe es ausschließlich um „Afro-Europäer“, „afrikanische Europäer“, „schwarze Europäer“, „Menschen afro-karibischer Herkunft“ oder „Schwarze karibischer Herkunft“, „die in Europa geboren wurden oder Staatsbürger bzw. Einwohner europäischer Staaten sind.“ Mitnichten! Denn in Punkt 23 des Maßnahmenkataloges heißt es: Das EP „fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unter Berücksichtigung der bestehenden Rechtsvorschriften und Verfahren dafür zu sorgen, dass Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber auf sicherem und legalem Wege in die EU einreisen können.“

Schier ein Masterplan für „reeducation“ – Vorbild für BLM-Aktionismus?

Insgesamt forderte das EP 28 Maßnahmen ein. Greifen wir markante Forderungen heraus: Die EU-Organe und die Mitgliedstaaten sollen der Geschichte der Menschen afrikanischer Abstammung gedenken, indem sie zum Beispiel „Monate der schwarzen Geschichte“ einführen. Die Mitgliedstaaten sollen sich mit der Situation von Menschen afrikanischer Abstammung in Bildung, Wohnen, Gesundheit, Beschäftigung, Polizeiarbeit, Sozialdienste, Justiz sowie politische Teilhabe befassen und letztere im Fernsehen und anderen Medien fördern. Das EP betont dabei die wichtige Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen bei der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung und fordert eine stärkere finanzielle Unterstützung von Basisorganisationen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene. Demnächst soll hierauf der Fokus gelegt werden. Black Lives Matter (BLM) lässt grüßen! Die Mitgliedstaaten sollen rassistisch begründete Voreingenommenheit in ihren Strafrechts-, Bildungs- und Sozialsystemen überwachen und entsprechend proaktive Maßnahmen ergreifen. Die Mitgliedstaaten sollen die Geschichte der Menschen afrikanischer Abstammung in die Lehrpläne aufnehmen und die Themen Kolonialismus und Sklaverei umfassend darstellen. (Vermutlich ohne die Tatsache, dass die umfassendste Sklaverei im muslimisch-islamisch geprägten Raum stattfand und es die europäischen Kolonialmächte waren, die die Sklaverei über den Atlantik beendeten.)

Greifen wir den wohl brisantesten Punkt auf: Das EP „fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unter Berücksichtigung der bestehenden Rechtsvorschriften und Verfahren dafür zu sorgen, dass Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber auf sicherem und legalem Wege in die EU einreisen können.“ Das heißt doch: Fluchtwege ebnen, Shuttle-Dienste einrichten, die Tore weit öffnen!

Ist dem EP klar, was das bedeutet, und was nach dieser EP-Entschließung gerichtlich eingeklagt werden kann? Ein paar demographische Daten sollten stutzig machen. Die Europäische Union hat 512,4 Millionen Einwohner, nach dem Brexit, also ohne Großbritannien sind es 446,0 Millionen. Deutschland hat 83,5 Millionen, Frankreich 67,5 Millionen. In Afrika leben aktuell 1,3 Milliarden Menschen, im Jahr 2050 werden es 2 Milliarden sein. Afrika wächst täglich (!) um 200.000 Menschen, pro Woche (!) um 1,55 Millionen (das ist die Größe Münchens) und jährlich um 73 Millionen, d.h. in etwas mehr als einem Jahr (13,7 Monaten) um die Größe Deutschlands (83,5 Millionen).

Wer aber ist ab sofort Nutznießer der EP-Entschließung? Ganz klar: eine neu entstehende Anti-Afrophobie-Industrie. Bald wird sie unter „BLM“ rangieren. Man schaue sich nur einmal die auf die EP-Entschließung bezogene parlamentarische Anfrage der Bundestagsabgeordneten Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) an. Sie richtete im Sommer 2019 folgende Frage an die Bundesregierung: „Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ……. insbesondere der Aufforderung in Ziffer 11, umgesetzt, die über den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus hinausgehen, und welchen darüber hinaus gehenden Handlungsbedarf für eine nationale Strategie sieht sie, um Rassismus gegen Schwarze Menschen umfassend zu bekämpfen?“ (Siehe hier). Nun, dann steht ja einem Millionen Euro schweren neuen Aktionismus diverser NGOs nichts mehr im Wege. Die BLM-Hysterie wird das noch beschleunigen

Und die Rolle Merkels?

Konstante Spät-Merkel’scher Politik ist ein durchgehend irrationaler Humanitarismus. Siehe Merkels Zustimmung zum „Migrationspakt“ der UNO. Dieser UN-Migrationspakt, zu dessen Unterzeichnung Merkel im Dezember 2018 extra nach Marrakesch geflogen war, verspricht Migration als Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung; er klammert allerdings den entscheidenden Grund für Migrationsströme, nämlich die anhaltende Bevölkerungsexplosion in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten, völlig aus.

Humanitäre Beweggründe sollen angeblich Merkels Motive für dieses Handeln und für deren rechtswidrige Grenzöffnung vom Spätsommer 2015 gewesen sein, gar ihr „Eingesperrtsein“ bis 1989 in der DDR. „Humanitär“ klingt gut, es verbirgt sich dahinter allerdings eine ideologische Grundierung. Oder eine Lüge, wie Carl Schmitt 1932 meinte: „Wer Menschheit sagt, will betrügen.“ Merkel verstieß zudem gegen einen Grundsatz, den der berühmte Publizist Sebastian Haffner (1907 – 1999) wiederholt ausgesprochen und zu Papier gebracht hat. Bei einem Vortrag im NDR von 1966 sagte er unter dem Titel „Politik und Vernunft“: Es gehe beim Regierungshandeln um raison d’Etat, um Staatsvernunft. Haffner wörtlich: „Große Staatsmänner und Staatsdenker haben diese Staatsvernunft ja sogar ganz bewußt höher gestellt als Moral, Humanität und Gewissen.“ Und: „Das oberste Vernunftgebot heißt Selbsterhaltung.“ Wie wenn Haffner 2015 vorausgeahnt hätte, fügte er an: „Auch die Demokratie ist gegen dämonische Unvernunft im politischen Bereich nicht gefeit.“

Noch Fragen an Tagen, an denen sich die Kanzlerin mit den gehätschelten Repräsentantinnen Greta und Lisa der Freitagshüpfer und Schulschwänzer traf???


Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)


Bild: European Union Naval Force Somalia Operation Atalanta/flickr.com/CC BY-ND 2.0

Text: Gast

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