Ist linke Gewalt nicht links? Oder keine Gewalt?

Erinnern Sie sich? ‪Vor knapp zwei Jahren gab es einen landesweiten Aufschrei gegen „Rechts“, weil ein Pegida-Mann mit Hut („Hutbürger“) im Sommer 2018 in Dresden ein ZDF-Kamerateam anpöbelte – verbal. Jetzt schlugen mutmaßliche Linke in Berlin ein ZDF-Kamerateam krankenhausreif. Und in den meisten Medien erfährt man nicht einmal, dass es sich bei den Tatverdächtigen offenbar um Linksextreme handelt. Wo die wahrscheinliche Motivation der Täter überhaupt benannt wird, geschieht dies meist eher beiläufig und/oder gegen Ende des Artikels (wie etwa in der BZ und in der Welt).

Stellen Sie sich für nur eine Minute vor, der Verdacht stünde im Raum, die Gewalttäter seien dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Ob sich dann auch die meisten Medien und Politiker in Schweigen gehüllt hätten, was die Hintergründe der Tat angeht? Aus Rücksicht auf die noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen und ein diesbezügliches Schweigen der Polizei? Meine Erfahrung besagt das Gegenteil. Man nehme nur Hanau…

Aus Rücksicht auf die Kollegen (vier von ihnen mussten ins Krankenhaus) hatte ich mir vorgenommen, mich zurückzuhalten mit Überlegungen darüber, wie tragikomisch es ist, dass ausgerechnet Mitarbeiter der sehr linken „heuteshow“ offenbar von Ihresgleichen angegriffen wurden. Bis mir dann eine Leserin einen Ausschnitt aus der „heuteshow“ zusandte. Darin ist zu hören, Gewalt gegen „Rechte“ sei gut (anzusehen hier). Wer derart Gewalt säht, ja das eigene Zielpublikum dazu anstiftet, darf sich leider nicht wundern, wenn das zurückschlägt.

Ich muss gestehen: Ich kann mir die „heuteshow“ seit langem nicht mehr ansehen. Ich finde Humor nicht lustig, der mit Ideologie und politischem Sendungsbewusstsein durchtränkt ist, der mit erhobenem Zeigefinger daher kommt. Die „heuteshow“ lässt kaum eine Gelegenheit aus, um gegen „rechts“ zu kämpfen (und zwar nicht nur gegen Rechtsextreme, sondern alles, was nicht so links ist wie Merkel). Und die Macher der Sendung sind traditionell eher kurzsichtig, wenn es um linksextreme Gefahren geht.

Mit ihren Scheuklappen gegen linke Gewalt steht die ZDF-Sendung nicht allein. Sie steht damit in der Schule von Ex-SPD-Vize Stegner. Dessen Reaktion auf die linken Gewalt-Exzesse beim G20-Gipfel in Hamburg ist legendär: „Kriminelle Gewalttäter, wie immer sie sich nennen“ seien „nicht links“. Eine völlige Umkehrung der Realität und vor allem der Geschichte. Und damit steht Stegner nicht allein. Erst im Februar verkündete der Journalisten Tilo Jung auf twitter, Stalin, Mao und die DDR seien allesamt Rechte gewesen (siehe hier).

Das Wegsehen und Verdrängen feierte auch gestern wieder Urstände: „Bislang ein friedlicher 1. Mai“, ließ Berlins Innensenator Andreas Geisel twittern – so als hätte es den brutalen Angriff auf die Journalisten gar nicht gegeben. Geisel, der schon früher geäußert hatte, im Zweifelsfall auch mit Linksextremen zu demonstrieren, hatte zwar im Vorfeld ein hartes Durchgreifen am 1. Mai angekündigt. Aber das waren nur Worte. Am Kampftag selbst ließ er seine Polizei einen Kuschelkurs fahren. Legal? Illegal? Dem Innensenator offenbar egal. Und Polizeipräsidentin Barbara Slowik ging in bester Sozialismus-Manier sogar so weit, dass sie die Realität negierte und die Demonstranten zu „flanierenden Bürgern“ umdeutete. Darauf muss man erst mal kommen! Wahrscheinlich sind die Drogendealer am Görlitzer Park, den Slowiks Polizei seit Jahren duldet, nur „Jogger“.

Von den Angriffen Linksextremer auf die Polizei, etwa mit Bengalos, Flaschen und Steinen war kaum oder allenfalls beschwichtigend die Rede. Vielleicht waren es „Abfall-Wegschmeißende“? In den meisten Medien hieß es unisono, dass es „Rangeleien“ gegeben habe. „Rangeleien“ gibt es im Kindergarten, etwa wenn ums Eis gestritten wird. Aber sind Angriffe auf Polizeibeamte nur eine „Rangelei“? Das ist Verharmlosung. Ebenso, wenn die Welt in einer Überschrift von „Aktivisten in Berlin“ schreibt (was nur noch in der google-Suche zu finden ist, offenbar wurde es später im Artikel selbst geändert). Wären das auch die Formulierungen, wenn die Aggression nicht von Linksextremen, sondern von Rechtsextremen ausgegangen wäre? Oder wäre dann doch eher von „rechter Gewalt“ oder gar „Terror rechter Gewalttäter“ die Rede gewesen? Und klingt das nicht ganz anders als „Rangelei von Aktivisten?“

Hunderte, wenn nicht Tausende haben in Berlin ganz offen die Corona-Regeln ignoriert. Und die Polizei hat dies ihrerseits ignoriert. Wie soll das bei den Menschen ankommen, wenn gleichzeitig ein altes Ehepaar in Würselen zu 400 Euro Strafe verdonnert wurde, weil es auf einer Parkbank Eis aß und den Mindestabstand von der Eisdiele von 50 Metern nicht einhielt? Wenn zuhauf Menschen aus ihren Zweitwohnsitzen vertrieben werden? Wenn Gastwirte ihre Existenz verlieren, weil sie sich an die Vorschriften halten müssen?

Auch in Hamburg haben Gewalttäter die Polizei attackiert am 1. Mai. In den Medien wurde zwar über die Ausschreitungen berichtet. Aber wenn man etwa die google-Nachrichten-Suche verwendet, kommt nirgends in den Überschriften das Wort „Links“ oder „Linksextrem“ vor.

Im besten Fall wird hier also mit zweierlei Maß gemessen. Im schlimmsten Fall wird absichtlich geframt. So oder so wird bei den Zuschauern und Lesern ein falsches Bild vermittelt. Die Gefahr durch Linksextremismus wird ebenso wie die durch Islamismus hierzulande konsequent verharmlost.


P.S.: Leserzuschrift zu dem Artikel vom 2. Mai: Es ist wirklich unfassbar wie darüber berichtet wird. schwaebische.de veröffentlicht dazu einen dpa-Artikel. Da werden Tatverdächtige aus dem linken Spektrum festgenommen, aber sogleich wieder auf freien Fuß gesetzt, weil keine Haftgründe vorliegen. Dann die Anmerkung, bei der Demo hätten auch Rechte und Verschwörungstheorethiker teilgenommen und dann folgt unmittelbar der Angriff auf das Kamerateam. Es wird tatsächlich in dem Artikel versucht den brutalen Angriff in Verbindung mit Rechten und Verschwörungstheoretikern zu bringen – das muss man sich echt mal geben.

https://www.schwaebische.de/ueberregional/panorama_artikel,-staatsschutz-ermittelt-nach-angriff-auf-heute-show-team-_arid,11218374.html


Bilder: Flickr/Screenshot ZDF/Lizenz: 2.0 Generic (CC BY 2.0)

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