Meine Entschuldigung bei der Polizei

Liebe Polizistinnen und Polizisten,

in den vergangenen Wochen hatte ich zwei sehr bewegende Momente. Mir schrieb eine enge Verwandte eines Polizisten, der am Berliner Alexanderplatz bei der „Anti-Rassismus“-Kundgebung „massiv durch einen Flaschenwurf“ verletzt wurde, bedankte sich herzlich für meine Berichterstattung und schickte auch noch eine Unterstützung für meine Seite. Heute bekam ich einen Brief von einem Polizisten aus Baden-Württemberg, der sich für meine Stuttgart-Artikel bedankte. Und der mir schilderte, was er erlebt, und warum er schwarz sieht (ich hoffe, er erlaubt mir, seine Zuschrift anonym zu veröffentlichen).

Ich war nicht nur bewegt – nach einigem Nachdenken war ich auch beschämt durch die beiden Briefe. Was ist nur los in unserem Land, dass Sie als Polizisten bzw. Ihre Angehörigen sich so freuen und sogar extra danken, nur weil ein Journalist das tut, was seine Pflicht ist: Fair über Sie und Ihre Arbeit zu berichten.

Ich habe versucht, mich in Ihre Haut zu versetzen. Was in Ihnen vorgeht, wenn Sie etwa den Artikel in der taz gelesen haben, in dem es heißt, Menschen wie Sie würden dazu neigen, Nazis zu sein, und gehörten auf die Müllhalde. Nachher hieß es, das sei Satire gewesen. Ich bin überzeugt, Sie finden es noch weniger zum Lachen als ich. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was in Ihnen vorgeht, wenn der Spiegel-Miteigentümer Jakob Augstein als Reaktion auf die Hetze in der taz schreibt, Polizisten gehören aufgegessen. Der Millionenerbe, der sich im Zweifelsfall einen privaten Sicherheitsdienst leisten kann, findet das wohl witzig. Ich habe versucht, mit vorzustellen, was in Ihnen vorgeht, wenn Sie sehen, wie solche Hetze gegen Sie kaum einen Aufschrei auslöst. Und dass dieser Aufschrei aber dann lautstark kommt, etwa vom Journalistenverband und dem Presserat, wenn sich etwa die CSU oder Ihre Gewerkschaft über die Hetze gegen Sie empören. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was in Ihnen vorgeht, wenn Sie jemand wie SPD-Chefin Saskia Esken Ihnen eine Neigung zum Rassismus unterstellt; wenn Monitor-Chef Restle vom WDR oder Berlins Stadtregierung Sie unter Generalverdacht stellt. Ausgerechnet diejenigen, die sonst bei jeder Gelegenheit über Vorurteile und Verallgemeinerungen klagen und sich als Vorkämpfer gegen „Hass“ und „Hetze“ inszenieren, wirken wie ausgetauscht, wenn es um Sie, die Polizei geht.

Ich habe bei der „Anti-Rassismus“-Kundgebung in Berlin erlebt, wie Ihre Kollegen nicht nur körperlich angegriffen, sondern übelst und unter der Gürtellinie beleidigt wurden – so schlimm, dass ich es gar nicht wiedergeben möchte hier. Mich selbst hätte um ein Haar eine Getränkedose erwischt, die ein Kundgebungsteilnehmer auf mich schmiss; einer Ihrer Kollegen boxte sie in letzter Sekunde vor meinem Gesicht weg. Als ich am nächsten Tag in den Medien schwere Vorwürfe gegen sie las, kam ich mir vor wie in einem Kafka-Roman (siehe mein Bericht „Die Polizei – Dein Rassist und Prügelknabe“)Bei jedem Versuch, mich in Ihre Haut zu versetzen, werde ich wütend, wie Sie behandelt werden. Gerade auch von meinen Journalisten-Kollegen. Ich habe in Russland und anderen Ländern erlebt, wie schrecklich es ist, wenn man keine funktionierende Polizei hat, wenn Beamte willkürlich vorgehen oder korrupt sind.

Wie in jedem Beruf gibt es auch bei der Polizei schwarze Schafe. Aber für 99 Prozent von Ihnen lege ich die Hand ins Feuer. Oder genauer gesagt umgekehrt: Sie legen die Hand für uns ins Feuer. Sie halten Ihren Kopf hin, damit wir sicher sind. Sie riskieren Ihr Gesundheit, ja sogar Ihre Leben für uns. Und Sie müssen sich dafür noch beschimpfen lassen.

Ich schäme mich für die Kollegen, die so mit Ihnen umgehen. Und ich ziehe meinen Hut vor Ihnen, weil ich weiß, dass Sie so professionell sind, dass sie auch diese Kollegen, die Sie heute in den Dreck ziehen, jederzeit beschützen werden, wenn sie morgen Ihre Hilfe brauchen.

Als Journalist ist es meine Aufgabe, die Polizeiarbeit wie alles staatliche Handeln kritisch zu hinterfragen. Das werde ich auch weiterhin so handhaben. Und dabei nach Kräften unbequem sein. Das ist meine Aufgabe. Es ist wie beim Fußball – wir sind in unterschiedlichen Mannschaften. Aber dennoch oder gerade deswegen werde ich auch bei kritischen Texten alles daran setzen, um auf Fouls und „Tätlichkeiten“ zu verzichten, und Ihnen die menschliche Achtung und den Respekt entgegen zu bringen, die Sie verdient haben.

Bitte lassen Sie sich von meinen Kollegen, die Sie verächtlich machen, nicht verunsichern. Ich bin sicher: Man hört vor allem diejenigen, die besonders lautstark sind. Für die entschuldige ich mich. Und ich hoffe, ja ich glaube, ich kann das auch im Namen vieler Kollegen tun! Ich hoffe, dass viele von Ihnen sich meinem Brief anschließen!

Herzlichen Dank für Ihre Arbeit! Wir müssen froh sein, dass es Sie gibt!

Ihr

Boris Reitschuster


Bild: Daniel Schwen/Wikicommons/CC BY-SA 2.5

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