„Orwell hat sich um 35 Jahre getäuscht“ Warum man Mehrheitsmeinungen nicht blind vertrauen darf

Ein Gastbeitrag von Hans-Henning Paetzke

Theorien waren noch nie meine Stärke. So sind mir auch Verschwörungstheorien fremd. Und Pandemien kannte ich bisher eigentlich nur aus Büchern: Pest, Cholera, Spanische Grippe. Und aus eigenem Erleiden natürlich die alljährlich auftretenden Grippewellen. Schrecklich. Aber warum nun Covid-19 ähnlich schlimm sein soll wie die Pest, das leuchtet mir irgendwie nicht wirklich ein. Im Folgenden einige Gedanken dazu, die aus dem privaten, aber auch nicht-privaten Bereich stammen. Und hineinragen in das, was sich mit öffentlichen Dingen, mit res publica, verbindet. Ein Zitat aus Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ begleitet mich seit meinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr: „Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: »Ich, der Staat, bin das Volk.“

Seit 1968 lebe ich als ehemaliger DDR-Bürger in Deutschland und Ungarn. Durfte 1963 Bekanntschaft mit der Stasi machen, wurde auf deren Anweisung als junger Schauspielanfänger wegen Verletzung der Staatsbürgerpflichten aus dem Theater fristlos entlassen. Die Vollversammlung des Ensembles hatte einstimmig dafür gestimmt. Das daraus resultierende Berufsverbot, einhergehend mit einer Haft wegen Wehrdienstverweigerung unter anderem im Zuchthaus Cottbus (1963-1964), hat mich nachhaltig geprägt. Ich weiß heute, dass man selbst demokratischen Mehrheitsmeinungen nicht blind vertrauen muss. Auch demokratisch verabschiedeten Gesetzen und Verordnungen nicht.

Als 1966 zwei junge Krankenschwestern eines katholischen DDR-Krankenhauses bei einem Fluchtversuch über die grüne Grenze erwischt wurden, kommentierte eine keineswegs minderbemittelte Nonne die Festnahme mit den Worten: „Das Gesetz verbietet so etwas! Das hätten  sie doch wissen müssen!“

 

Kritiklose Gesetzesgläubigkeit und Hysterie sind Milchgeschwister. Hinterfragung und Widerstand dagegen gehören zu meiner Seelenhygiene. Noch vor einem Jahr hatte ich mit einem Orbán-Anhänger eine heftige Auseinandersetzung wegen der Beschneidung und immer stärker in den Vordergrund tretenden Gleichschaltung der ungarischen Medien. Was ich denn wolle, das sei in Deutschland doch auch nicht anders. Ja, inzwischen muss ich meine damalige Sicht auf die deutschen Medien kleinlaut revidieren.

1963 hatte man mir meine Identität genommen. Ich war nur noch eine Nummer: 1297 aus 63. Nicht in den linken Unterarm tätowiert, dennoch unauslöschlich eingebrannt in mein Sein. Die Wende von 1989 erlebte ich als einen Hoffnungstsunami. Diese Wellen haben sich seither gelegt. Nun rollt ein ganz anderer Tsunami auf uns zu: Pandemie! Mein kluger Wahrig erklärt mir die Wortbedeutung: „über Länder und Erdteile sich ausbreitende Krankheit, Seuche (zu griechisch pandemia, πανδημία, „alle Leute“).“ Krankheiten sind meines Wissens nicht gleichzusetzen mit einer symptomfreien Infektion. Doch just dies wollen uns die demokratischen Eliten in Verbindung mit dem Corinavirus weismachen. Im ungarischen Internetportal Blikk.hu lese ich zu den zu erwartenden angeblich ungefährlichen Coronaimpfungen die Meinung von Prof. Dr. András Falus: „Die Impffeindlichkeit könnte ich Anstiftung zum Mord nennen und würde sie gegebenenfalls auch ähnlich bestrafen.“ Mein Gott, welche unheilverkündendenWolken brauen sich da über unseren Köpfen zusammen?

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Ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Wohl noch nie gewesen. Dennoch neige ich nun dazu, dass sich die Eliten gegen eine Normalität des Lebens verschworen haben könnten. Sich für die aktuelle Lebensabsurdität sogar einer demokratischen Mehrheit versichert haben. Noch. Wie nennt man eine Herrschaftsform, die sich der Zustimmung von Millionen Unwissenden und Ahnungslosen erfreuen? Ochlokratie (ὀχλοκρατία). Herrschaft des Pöbels. Was soll uns aufgezwungen werden? Impfungen? Bargeldlosigkeit? Geldtransfer in schwarze Löcher zwecks Regulierung der Staatsverschuldung, Vermögensneuordnung und –entwertung, Wohnungszwangsbewirtschaftung, Überwachung bis hin in die intimsten Winkel unseres Verborgenen?

Einen Vorwurf muss ich George Orwell ja machen: Wie konnte er sich nur mit dem anvisierten Ausbruch der Totalüberwachung für das Jahr 1984 um zirka fünfunddreißig Jahre täuschen? Aber eines muss ich ihm dennoch lassen: Inhaltlich geirrt hat er sich nicht. Er wäre stolz und zugleich erschüttert angesichts der Realisierung seines Angstgebäudes. Stolz darauf, Recht behalten zu haben. Erschüttert vermutlich, weil dies seinen Fantasiehorizont überstiegen haben dürfte.

Ideologien habe ich fast immer abgelehnt, sie für etwas zu Verwerfendes gehalten. Ähnlich wie Religionen als Opium für das Volk. Ein Rechter bin ich nie gewesen. Auch nie ein Linker. Stattdessen immer ein Suchender, ein Eklektiker, der sich aus verschiedensten  architektonischen und Gedankenelementen sein individuelles Gebäude errichtet, sich darin einrichtet, Elemente daraus verbannt und neue aufnimmt. Dennoch empfinde ich mich als einen Menschen, der in seiner Jugend ein kleiner Revolutionär war, mit zunehmendem Alter aber ein Bewahrender, ein Konservativer. Was soll ich anfangen mit den Reise- und Ausgangsbeschränkungen? Was soll ich anfangen mit einer verordneten Maskenpflicht, dem ungesunden Einatmen von sich in der Maske gefährlich tummelnden Bakterien und Viren, dem ausgestoßenen und gesundheitlich beeinträchtigenden wieder eingeatmeten Kohlendioyid, dem Druck, mich impfen zu lassen mit einem Impfstoff, der mich am Ende gar erst wirklich krankmacht? Und was rast da auf uns zu? Arbeitslosigkeit, Zerstörung von Existenzen, Wohlstand und Volkswirtschaften, unbeschreibliches Elend und Verzweiflung, Selbstmorde? Ratlosigkeit macht sich breit. Angst.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.


Hans-Henning Paetzke

geb. 1943 in Leipzig, 1960 wegen Verunglimpfung des Staatsoberhaupts der DDR Verweisung von sämtlichen Oberschulen der DDR, 1960-63 Ausbildung als Schauspieler, 1963 fristlose Kündigung durch das Staatliche Dorftheater Prenzlau wegen Verletzung der Staatsbürgerpflichten, 1963-64 Verbüßung einer Gefängnisstrafe wegen Wehrdienstverweigerung, 1967 Abitur, 1967-1976 Studium der Klassischen Philologie, Germanistik und Psychologie in Halle/S., Budapest und Frankfurt/M., 1968 Emigration nach Ungarn, 1973 nach Frankfurt/M., 1981-85 persona non grata in der DDR, 1985-88 persona non grata in Ungarn, 1994 Rückkehr nach Budapest. Seit 1968 freiberuflich als literarischer Übersetzer, Herausgeber, Journalist und Schriftsteller tätig, zirka 80 Buchübersetzungen; Bundesverdienstkreuz, Offizierskreuz der Republik Ungarn u.a.

Übersetzungen aus dem Ungarischen von Péter Esterházy, György Konrád, Péter Nádas, György Petri u.v.a.m.

Letzte Romanveröffentlichungen im Mitteldeutschen Verlag: Andersfremd (2017), Heimatwirr (2019), Zum einsamen Tod eines Landarztes, i.V.


Bild: Yupa Watchanakit
Text: Gast


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