Sicherheit nur mit Begleitservice

Von Boris ReitschusterNachdem mein Artikel „Tod durch Sturz?“ über die Reaktionen auf den tödlichen Angriff von Augsburg auch auf der „Achse des Guten“ (Original auf meinem Blog hier) erschienen ist, las ich dort zwei Leserkommentare aus meiner Heimatstadt. Die Berichte haben mich aufgewühlt. So sehr ich mir bewußt bin, dass jeder Schilderung dieser Art subjektiv ist, und jeder seinen Fokus in seiner Stadt je nach eigenem Naturell und Weltsicht ganz anders setzen kann, finde ich die Berichte doch überaus lesenswert – und was dort geschildert wird, ist schwer von der Hand zu weisen. Und sicher einer der Gründe, warum viele ihr Heil im Verdrängen bzw. in rosaroten Brillen suchen.

Interessanterweise bekam ich heute auch eine Zuschrift, ich würde die Zustände in Deutschland viel zu rosig schildern und die Dinge nicht beim Namen nennen, Augsburg und andere Städte seien heute „Shitholes“. Zitat: „warum tun sie so, als ob das neu ist. dass augsburg, ffb uva, shitholes geworden sind, weiss doch jeder, der sich nur etwas unabhängig informiert dass jeder, der in den medien darüber schreibt, gefahr läuft 

seine existenz zu verlieren, wissen sie auch. ist das der grund, warum sie komisch schwurbeln?“

Bei aller Kritik an negativen Tendenzen – wer so etwas schreibt, hat offenbar nicht allzu viel von der Welt gesehen. Aber, stopp: Relativierungen von erschreckenden Verhältnissen hierzulande damit, dass es anderswo (noch) viel schlimmer ist, verbieten sich in meinen Augen. Sie sind leider ebenso verbreitet wie per se dumm – und besonders dadurch, dass unser Vergleichsmaßstab nicht Mogadishu ist – sondern die Zustände, die wir früher hatten. Und die haben sich massiv geändert. Wer das nicht sehen will, sollte einmal mit einem Polizist seines Vertrauens privat sprechen. Ich bin in ständigem Austausch mit Staatsdienern aus dem Sicherheitsbereich und habe oft den Eindruck: Die und viele Journalisten und Politiker müssen in parallelen Welten leben, zwischen denen es nur geringe Überschneidungen gibt.


Kathy Klein / 09.12.2019

Lieber Herr Reitschuster, mehr Beispiele gefällig, wie es um Ihre Heimatstadt Augsburg bestellt ist? Hier ein Lagebericht aus der kleinen, an sich sehr gemütlichen Uni Augsburg: Seit einiger Zeit gibt es an der Uni einen Wachschutz, der den gesamten Campus abends, die ganze Nacht hindurch und am Wochenende bewacht. Dabei wurde auch ein Begleitservice ins Leben gerufen: Nach 18 Uhr kann man einen Begleitschutz per Fon bestellen, der einen dann wahlweise zur Tram oder zum Parkplatz bringt. Der Auslöser war offenbar, dass sich auf dem Campusgelände oft alkoholisierte Gruppen von irgendwelchen Leuten aufhielten, laut unbestätigten Gerüchten ist es dabei auch zu unschönen Vorfällen gekommen. (Und nein, es war nicht dieser Vorfall, bei dem ein alkoholisierter Syrer mit einem gestohlenen Auto an einen Baum direkt neben der Uni gekracht ist und dabei ums Leben kam, den Begleitservice gibt es schon viel länger). Der Wachschutz leistet gerade auch in der Bib ganze Arbeit: Nach 18 Uhr gehen die Damen und Herren vom Wachschutz die gesamte Bib ab, schauen in jeden PC-Pool rein und fragen laut, ob alles in Ordnung sei. Man antwortet dann laut und deutlich: “Ja, danke, alles in Ordnung.” Das hat inzwischen schon Ritualcharakter und verleiht uns weiblichen Insassen der Uni ein beschwingt wohliges Gefühl von Sicherheit. – Naja, eigentlich nicht, denn sofort stellt man sich die Frage, warum, bei allen Geistern der Unterwelt, eigentlich ein derart aufmerksamer Wachschutz notwendig geworden ist?


Stephan Brünnler / 09.12.2019

Ich bin Ende der 80er, Anfang der 90er in Augsburg-Haunstetten in einem sozial schwächeren Viertel (Inninger Straße-Albert-Einstein-Straße) aufgewachsen. Anfangs spielten wir, Jungs mit unterschiedlichsten Nationalitäten, gemeinsam Fußball im Park hinterm Cafe Spring. Es gab keine Konflikte, außer ein Team (bunt gewürfelt, da wir “Biodeutschen” eh in der Unterzahl waren) hat öfters gewonnen als das Andere. Ein paar Jahre ging das gut, bis sich ein gewisser Teil der Jungs nicht mehr blicken ließ und zunehmend “aggressiver” wurde. Kameraden, mit denen man vorher noch im Team waren verfolgten einen im Viertel, so dass ich mich zuweilen in Gebüschen versteckte, wenn ich sah, dass eine Gruppe in meine Richtung kam. Wenn ich alleine oder mit einem anderen durch die Gegend “strawanzte”, kam es immer öfter vor, dass man sich umdrehte oder “vorausschauend lief”. Einmal wurden wir von hinten von ein paar jüngeren Bengeln überrascht und sie zogen uns Papprohre von hinten über den Kopf. Da wir locker einen Kopf größer und ein paar Jahre älter waren, nahmen wir die Verfolgung auf, immerhin wollten wir ihnen die Rohre abnehmen und ihnen ebenfalls eine “verpassen”. Ausgleichende Gerechtigkeit, wenn man so will.  In der nächsten Seitenstraße stießen wir dann auf deren große Brüder oder Cousins oder was auch immer. Somit wurden wir von “Jägern” zu Gejagten. Uns passierte nichts, da sich auch unter den “Biodeutschen” die Älteren manchmal zusammenschlossen und wir an dem Tag Glück hatten, in eine Gruppe von “uns” zu laufen. Keine Ahnung was passiert wäre. Verdroschen wurde ich nie aber es war nie wieder das Selbe. Mit der Zeit schrumpfte der Freundeskreis auf zwei Jungs zusammen und ich wechselte zudem auf die Realschule. Dort wurde es besser und Mitte der 90er zogen wir dann aufs Land. Dort war gefühlt die Welt noch in Ordnung. Soviel zum Thema Integration.

Die weiteren mehr als 200 Kommentare finden Sie hier: achgut.com


Wenn das so weiter geht mit der Weichspülung, wird es am Ende noch heißen, dass der in #Augsburg getötete Feuerwehrmann selbst Angreifer war und die Gruppe von sieben jungen Männern die Opfer.

Ich bitte um Verzeihung, aber ohne Galgenhumor ist das nicht mehr zu ertragen. ?



Interessant, wie nach der tödlichen Attacke von #Augsburg geframt wird. Das ist von „Streit“ die Rede. Als ob alle ein bisschen schuld sind. Dabei zeigte das Opfer Zivilcourage und setzte sich für die Einhaltung von Regeln ein. In vielen Berichten wird das leider unterschlagen.Kommentar von Markus Vahlefeld: „Ja, darüber wundere ich mich auch. Korrekt müsste es heißen: „Tödlicher Angriff von Männergruppe auf Feuerwehrmann.“ Das ist, so würde man meinen, nicht allzu schwer zu formulieren. Aber die Schere im Kopf hat zu Konstruktionen aus Verkürzung und Unwahrheit geführt, die Wirklichkeit gar nicht mehr abbilden wollen.“


Das kann man sich nicht ausdenken: Polizeibekannte Wiederholungstäter (u.a. Körperverletzungen) attackieren einen Passanten im Herzen #Augsburgs tödlich, weil der Zivilcourage gezeigt hat. Die Reaktion des CSU-Oberbürgermeisters: „Ich danke allen, die jetzt solidarisch Haltung zeigen und sich zu Gewaltfreiheit und unseren Werten bekennen.“

„Gewaltfreie Haltung gegen Gewalttäter. Oberstes Gebot in diesen Tagen.“ (Zitat von Resi Rosen).


Nach dem Messerangriff auf einen Polizisten in München schrieben viele Medien, der Angreifer sei Deutscher gewesen. Mich wunderte die schnelle Angabe der Nationalität – sonst ja eher unüblich. Jetzt hat die Bild ein Foto des Verdächtigen veröffentlicht.


20 Zeilen auf Seite 24 in der Randspalte – so viel Aufmerksamkeit war einer der größten konservativen Zeitungen die heimtückische Messer-Attacke auf einen Polizisten in München wert (gesehen im Flugzeug bei meinem Nachbarn dort). Das Opfer wurde schwer verletzt, es besteht die Gefahr, dass der Beamte nie mehr gesund wird; der Angreifer war polizeibekannt.


Bild: Guido Radig – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20894871

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