Stuttgart – wie mich youtube zensiert. Oder: Wie aus Realität Hassrede wird

Gestern habe ich auf youtube die Audiobotschaft eines Polizisten von der Krawallnacht in Stuttgart hochgeladen. In dem Mittschnitt schildert ein Beamter, was dort passiert ist. Unter anderem sagt er: „Hier in Stuttgart ist Krieg, wenn Du eine Uniform trägst, dann bist Du nur Opfer, ein Wunder, dass keiner erschossen worden ist. Da kommt noch was auf uns zu!“ Das Video wurde in weniger als 24 Stunden fast 30.000 Mal aufgerufen .

Jetzt hat es youtube gesperrt. Es soll „Hassrede“ sein. Das Netzwerk, das zu google gehört, hat es vom Netz genommen und mir eine Verwarnung erteilt. Die Begründung: „Weil es gegen die Richtlinien zu Hassrede verstößt.“ Und weiter: „Da es dein erster Verstoß ist, ist dies nur eine Warnung. Wenn du eine weitere Verwarnung erhältst, wird dein Kanal verwarnt und du kannst 1 Woche lang keine Videos hochladen, Beiträge posten und Inhalte live streamen. Wenn du eine zweite Verwarnung erhältst, darfst du 2 Wochen keine Inhalte veröffentlichen. Wenn du 3 Verwarnungen innerhalb von 90 Tagen erhältst, wird dein Kanal endgültig gelöscht. Wir möchten, dass du weiterhin bei YouTube bleibst. Bitte beachte daher Folgendes:“ Es folgt eine Belehrung.

In meinen Augen ist das Zensur. Ich kann keinerlei Hassrede in dem Audiomitschnitt entdecken. Ein einziges Mal äußert sich der Beamte beleidigend, als er sagt: „Nur Kanaken“: So sehr ich mich von solchen Begriffen distanziere – da inzwischen auch ähnliche Äußerungen wie etwa „Dreckskartoffel“ oder „Schweinefleischfresser“ für Deutsche als problemlos durchgehen, ist die Sperrung für „Kanake“ völlig überzogen. Zumal der Begriff auch von der Justiz zumindest teilweise als nicht strafrechtlich relevant eingeschätzt wird (siehe hier). Ist ein beleidigendes Wort ein Grund, eine ganze Aussage zu sperren? In einem Land, wo man Politikerinnen ungestraft als „F….“ bezeichnen darf? Und wo in der taz offen dazu aufgefordert wird, Polizisten auf der Müllhalde zu entsorgen, weil sie dazu neigen, Nazis zu sein? Bislang machte niemand Anstalten, diesen Artikel zu sperren.

Machen Sie sich selbst ein Bild, ob die Aussage des Polizisten Hassrede ist – oder eine Sachbeschreibung, wie sie in einer Demokratie möglich sein muss. Entweder per Klick auf das Video („Frontbericht“) unten (oder hier klicken) – oder darunter bzw. daneben in Textform:

Vorab-Hinweis, der so auch im Video steht: Ich kann die Authentizität nicht garantieren – aber der Mitschnitt wirkt aufgrund diverser Merkmale ausgesprochen authentisch. Von der Sprachfärbung angefangen über den Polizeifunk im Hintergrund bis hin zu dem Umgang mit Polizei-Fachbegriffen.„Hier in Stuttgart ist Krieg, wenn Du eine Uniform trägst, dann bist Du nur Opfer, ein Wunder, dass keiner erschossen worden ist. Da kommt noch was auf uns zu!“ – Audio-Hilferuf eines Polizisten von der Krawall-Nacht aus Stuttgart. Die Aufzeichnung wurde mir zugespielt. Meiner Quelle zufolge soll sie von einem Polizisten vor Ort stammen. Ich kann die Authentizität nicht garantieren. Aber die Aussagen wirken überaus realistisch. Deshalb will ich sie Ihnen nicht vorenthalten.

Hier die Textfassung – unten über den Video-Link können Sie sich die Aussagen im Original anhören:

„Hallo zusammen!

Ich gebe euch mal eine dramatische Lage von Stuttgart heute Nacht. Jetzt haben wir 1.55 Uhr, Teile der Innenstadt, Königstraße, Rotebühlplatz sind entglast. Die Kollegen sind massiv mit Steinen Flaschen beworfen worden. Es war die Landesreserve aktiviert.

Um 1.56 Uhr, der Weber hat schon fast um ein Haar das Maul voll gekriegt. Hier ist mal Land unter. Das sind Krawalle. Ich würde sagen wie in Amerika!

Das kannst du hier wunderbar nicht nur mithören, das siehst du live. Also das ist, also, Leute bleibt bloß daheim! Ich kann es Euch sagen! Ich hoffe, das kommt auch in den Medien. Es ist ein Wunder, dass es noch keine toten Kollegen gibt. Also, das ist Krieg. Wir befinden uns gerade heute Nacht wirklich im Krieg. Und ich übertreibe nicht.

Ich bin so richtig frustriert, dass ich sag ja, ich finde gar keine Worte dafür. Ich hoffe, das wird auch dementsprechend in der Presse so dargestellt. Nur Kanacken. Ja, ich bin sprachlos. Und die Führung? Ja, ist so richtig hilflos. Deswegen muss ich es mal loswerden.

Alles in allem ist es eine Katastrophe. Es ist alles da aus umliegenden Polizeidirektionen. Wirklich alles da. Und die Landesreserve kommt noch, von was weiß ich, vom Bodensee oder was, keine Ahnung. Es ist wirklich abartig.

Also hier in Stuttgart ist Krieg. Wenn du eine Uniform trägst – gute Nacht! Dann bist du nur Opfer, egal wie. Streifenwagen, sind kaputt. Das erste Revier wurde angegangen. Nee, und es ist ein Wunder, das keiner erschossen worden ist. Also ich weiß nicht, aber ich übertreibe nicht. Also, ich bin schon lange genug bei der Polizei. Aber das macht mir wirklich fassungslos. Da kommt noch was da auf uns zu. Wenn das die Spitze war, dann war es gut. Aber ich glaube, das ist erst der Auftakt von dem, was man gewollt hat.

So sieht’s aus, Leute! Und jetzt gebe ich noch ein paar weiter. Ich bin echt konsterniert. Unfassbar!!“

Ist das wirklich Hassrede?Brisanterweise hat mich heute nachmittag noch mein Freund Thomas B., der Handwerker, von dem ich hier schon berichtete (siehe hier), gewarnt: „Ich will Dein Video gerne verbreiten, aber ich muss mich beeilen, wetten, dass sperren sie bald?“ Ich habe ihm widersprochen. Manchmal wundert man sich über die eigene Naivität.


Bilder: Pixabay, SVG Silh

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