„Meine Oma ist ne alte Umweltsau“

Wenn man zwischen zwei Kulturen lebt, sieht man manche Dinge anders. „Euer öffentlich-rechtliches Fernsehen ist Internet für Omas“, sagte mir meine Freundin Lena: „Und komm mir jetzt nicht damit, das sei diskriminierend oder so. Wo kämen wir da hin, wenn ich als russische Jüdin auch noch einen Maulkorb bekomme wegen Eurer politischen Korrektheit“.

Auf twitter habe ich dieses Zitat veröffentlicht. Und bekam prompt die Antwort, die Bezeichnung „Oma“ sei doch respektlos. Wahrscheinlich haben die 16 Jahre, die ich als Korrespondent in Moskau gelebt habe, auf mich abgefärbt: „Oma“ ist für mich kein Schimpfwort, sondern mit Respekt und Sentimentalität besetzt. Wie die „Babuschka“ eben, wie Oma auf Russisch heißt. Kaum ein Russe käme auf die Idee, dieses Wort sei respektlos. Als ich Lena von der Reaktion auf twitter erzählte, konnte sie die gar nicht verstehen: „Babuschka (also Oma) – das ist doch ein liebevolles Wort!“

Als Wandler zwischen den Kulturen sticht einem hier ins Auge: Das Problem ist, dass ein an sich ehrenvoller Begriff für ältere Menschen bei uns in Deutschland inzwischen als respektlos gilt. Wir sollten uns deshalb als Gesellschaft kritisch an die eigene Nase fassen. Wie weit wir hier auf Abwege geraten sind, zeigt der jüngste tweet der „Fridays for Future-Germany-Gruppe“ auf twitter: „Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.“ Der Tweet wurde mehr als 4000 geliked. Wenn ich davon meinen russischen Freunden erzähle, verdrehen sie ihre Augen und können es gar nicht fassen. „Das hat was Totalitäres“, meint Lena: „Erinnert mich an die Auswüchse deS Kommunismus.“

Über unsere Probleme im Umgang mit älteren Menschen wollte ich deshalb zu Neujahr einen Artikel schreiben. Bis mir jetzt eine Leserin einen Link auf ein Lied schickte, das gerade im WDR lief. Da singt der WDR 2 Comedy Kinderchor: „Meine Oma ist ne alte Umweltsau“ (anzusehen hier). Satire darf bekanntlich alles.

Dennoch hat mich dieses Lied erschreckt. Wäre in unserer Gesellschaft alles zum Besten im Umgang mit älteren – man könnte es als Scherz abtun und nicht allzu wichtig nehmen. Aber es ist symptomatisch – wie der tweet er FFF-Bewegung mit dem „nicht mehr erleben zeigt“. Vor diesem Hintergrund wirkt das Lied auf mich weniger als Satire, denn als Indoktrination von Kindern, und darauf, ihnen den Respekt vor älteren Menschen zu nehmen. Und über die Gebühren müssen sie das auch noch selbst bezahlen.

Die Bösartigkeit dieser Satire fällt vor allem deshalb auf, weil die gleiche öffentlich-rechtliche Humorproduktion die Hohepriester des linksgrünen Zeitgeistes in und außerhalb der Regierung eher mit Samtschuhen anfasst. Wie wäre es denn mal mit einer Satire mit der Losung „Habeck ist eine alte Populistens…“ – sehen Sie, man traut sich das gar nicht auszusprechen. Mit der Oma geht es, mit dem Chef-Grünen nicht. Und das zeigt genau, wo unser Problem liegt. Denn es sollte wenn schon dann eher umgekehrt sein.

Ich persönlich habe in Russland den Respekt vor älteren Menschen verinnerlicht. Ich weiß, wie wichtig sie sind mit ihrer Erfahrung, ihrer Bodenhaftung, und (oft) mit ihrer Weisheit. Wir sollten das schätzen, statt sie zu verlachen. Bitte, liebe Omas und Opas (und für mich sind das Wörter, die mit Respekt verbunden sind): Bleibt fit, lasst uns nicht allein mit diesen (Jung-)Ideologen, die größtenteils noch nie vor existentiellen Sorgen standen, aber dafür die Welt umbauen retten wollen. Sie machen mir Angst.


Bilder: Igor Gavrilov, Screenshot WDR

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