Rasender Wandel zum Negativen

Gastbeitrag von Klaus Kelle

Im 40.000-Einwohner-Städtchen Kamp-Lintfort am Niederrhein (NRW) hat Bürgermeister Christoph Landscheidt (SPD) einen Waffenschein beantragt. Immer wieder sei er von Rechtsradikalen massiv bedroht worden, und um fähig zur Notwehr zu sein und seine Familie verteidigen zu können, brauche er eine Waffe. Der Antrag wurde abgelehnt. Aber der Vorgang wirft ein Schlaglicht darauf, was in diesem Land inzwischen los ist. Und die Angriffe auf Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker oder Andreas Hollstein, den Bürgermeister von Altena, sind unvergessen.

Was tun, wenn der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft immer mehr zerbricht.? Was tun, wenn der antitotalitäre Konsens der demokratischen Parteien praktisch nicht mehr existiert. Die Bundesrepublik, das vereinigte Deutschland ist nicht Weimar – diesen Satz hätte ich noch vor einem Jahr ohne Zögern unterschrieben. Aber heute? Es ist atemberaubend, wie rasend sich diese Gesellschaft zum Negativen verändert.

Natürlich, das Lohnniveau ist vergleichsweise hoch, die Sozialsystems funktionieren noch erstaunlich gut. Im Jahr 2018 hat es so viele Neuanmeldungen für SUV-Autos in Deutschland gegeben wie nie zuvor. Man kann also wirklich nicht sagen, dass es uns Deutschen materiell in der Breite schlecht geht. Wer das nicht glaubt, der möge sich anderswo in der Welt umschauen!

Aber die Verachtung des Staates und seiner Repräsentanten, der sinkende Respekt vor denen, die den Laden am Laufen halten, vor Rettungskräften, Notärzten, Feuerwehr und Polizei oder der Justiz insgesamt sind ein schrilles Alarmklingeln.

Josef Kraus hat in einem lesenswerten Beitrag 2018 beklagt, dass die SPD den  antitotalitären Grundkonsens aufgekündigt hat. Schlimm genug, aber Grüne und Linke gehörten nie dazu zu diesem Konsens. Von jeher machten zumindest Teile dieser Parteien immer wieder aktionsbezogen – sowas wie in der Politik eine “Projektregierung” – gemeinsame Sache mit den Feinden unserer Gesellschaftsordnung. Die SPD zog dann nach und zeigte nach Links kaum noch irgendwelche Berührungsängste. Und nun sind auch Teile der Union auf diesem Weg, wie jeder erkennen kann, der Zeitung liest. Gemeinsame  Demonstrationen gegen Rechts – sprich: gegen AfD – mit CDU- und “antifa”-Beteiligung finden immer häufiger statt wie jüngst in Salzgitter. Ist ja für die “gute Sache”, und viele Teilnehmer spüren gewiss ein  wohliges Kribbeln, wenn sie 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Barbarei auch mal so richtig  gefahrlos “Widerstandskämpfer” darstellen können.

Wer ein bisschen in den Geschichtsbüchern gelesen oder wenigstens im Schulunterricht aufgepasst hat, der kann die Parallelen zur Weimarer Republik nicht übersehen. Sie  denken, ich übertreibe? Klar, uniformierte Horden von Rechts und Links liefern sich noch keine offenen Straßenschlachten wie damals. Aber schauen Sie sich an, was in diesem Land wieder möglich ist!

Denken Sie an den Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke, mutmaßlich begangen von einem Rechtsextremisten wegen der liberaler Flüchtlingspolitik des CDU-Politikers. Denken Sie an die Morde der sogenannten NSU an  Ausländern, die hier gut integriert lebten. Oder vergangenes Jahr, der Antisemit, der in Halle eine Synagoge stürmen wollte (was Gott sei Dank scheiterte) und dann wahllos zwei Menschen erschoss aus blindem Antisemitismus. Antisemitismus, wie wir ihn zunehmend in Deutschland wieder erleben müssen – in rechten Kreisen ebenso wie auf der Linken oder bei Islamisten, wenn Sie an den alljährlichen Al–Quds–Marsch in Berlin denken, wo unverholen dem Hass auf Israel und “die Juden” gefrönt wird. Oder denken Sie an die ritualisierten Mai-Krawalle in Berlin und Hamburg, denken Sie an Leipzig-Connewitz – ach ja, da war ja angeblich die Polizei schuld.

Warum lässt unsere Gesellschaft so etwas zu? Warum sind wir so unfähig, den Feinden der demokratischen, offenen, toleranten und meinetwegen auch bunten Gesellschaft entgegenzutreten? In der “Zeit” las ich gerade, dass die Eingangstür der Synagoge in Halle nach dem rechten Terroranschlag “künstlerisch gestaltet” werden soll. Künstlerisch gestalten – ist das wirklich unsere Antwort auf den Hass und die Gewalt? Auf Nazis, Reichsbürger, Antifa und Judenfeinde?


David gegen Goliath

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Dieser Beitrag ist zuerst auf dem Blog „Denken erwünscht“ von Klaus Kelle erschienen.


Bilder: Christliches Medienmagazin proKlaus Kelle/Wikipedia Commons/CC BY-SA 2.0, Bundesarchiv, Bild 183-H29263 / Wikipedia Commons/CC-BY-SA 3.0

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