Wie Behörden engagierte Polizeibeamte zerstören Mobbing im Amt

Ein Gastbeitrag von Steffen Meltzer

Hochglanzprospekte mit strahlenden und attraktiven Polizistinnen, unterhaltsame Fernsehserien und ständiges Eigenlob durch diverse Führungskräfte zeigen eine Polizeiwelt, die nicht existiert und nie existiert hat. Sie vermittelt ein falsches Berufsbild. Die Realität kann eine ganz andere sein, ja zuweilen geht es sogar grausam zu, wenn Beamte in die Krankheit getrieben werden, sich selbst richten oder durch mangelnde Arbeitsschutzmaßnahmen sterben müssen.

Explizit gefährdet sind die besonders engagierten Polizisten, die ihren Beruf als Berufung auffassen. Ist der Beamte bereit, unkorrektes Arbeiten und Fehlverhalten im Dienst zu kritisieren, kann es schnell kritisch oder gar lebensbedrohlich werden. Das altbewährte Spiel ist einfach, um jemand aus dem Rennen zu nehmen: Sorge für Fehler, beispielsweise indem man diesen Kollegen vom notwendigen dienstlichen Informationsfluss abschneidet. Hilft das immer noch nicht, zünde die zweite Stufe: Konstruiere Dienstvergehen plus Straftaten und spiele auf Zeit und schaffe ein existenzielles Bedrohungsszenario.

Zermürbung: Allein die jahrelange Belastung durch in die Länge gezogene Verfahren sorgen dafür, dass jeder davon betroffene Polizeibeamte früher oder später erkrankt und aus dem Dienst ausscheiden muss. Alles nur eine Frage der Zeit, es spielt dabei auch keine Rolle mehr, ob sich der Straftatenverdacht bestätigt oder nicht, die Folgen werden fast immer die Gleichen sein. Durch den eklatanten Vertrauensbruch des Arbeitgebers ist eine Rückkehr in den Dienstalltag ohnehin nicht mehr unbelastet möglich. Als Ausweg bleibt die Frühpensionierung, andere suizidierten sich nach einem langen Leidensweg. Rücksicht auf finanzielle Verluste muss durch den Arbeitgeber nicht genommen werden, zahlt alles der fleißige Steuerzahler!

Verantwortliche stellen Beamten acht Jahre lang nach

Davon könnte auch ein (ehemaliger) Ermittler der Abteilung „Organisierte Kriminalität“ am LKA Berlin ein dickes Buch schreiben. Der Oberkommissar wurde bereits 2012 suspendiert, die Verfolgung zog sich bis in die jüngste Zeit. Kollegen beschrieben ihn als „arbeitswütig“: „Er hat seinen Beruf gelebt, er war ein 24-Stunden-Polizist“. Sein ehemaliger Vorgesetzter sagt über ihn aus: „Er war viele Jahre einer der besten Polizeibeamten, die sich in der Rockerbekämpfung täglich mit extrem hohem Einsatz bewährt haben“. Weiter führt er aus: „Er hat es in ganz besonderem Maße verstanden, Zusammenhänge und Abläufe der Organisierten Kriminalität zu erkennen und zu bewerten. Das führte auch zu entsprechenden Ermittlungsverfahren. Er war ein extrem engagierter, verlässlicher Ermittler in diesen sonst schwer aufzuschließenden Täterkreisen.“

Dankbarkeit kann man im Polizeiberuf ohnehin nicht erwarten. Man darf heutzutage schon dankbar sein, wenn man zur Pensionierung eine fehlerfreie Urkunde würdelos nach Hause geschickt bekommt.

Der engagierte Polizeibeamte wurde systematisch nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht. Das ist in einem streng hierarchischen Organismus sehr einfach. Dazu sind weder Intelligenz noch besondere andere Fähigkeiten erforderlich. In einem Beamtenapparat reicht es, dienstliche Macht über Menschen zu haben. Die Möglichkeiten zur Gegenwehr für die Betroffenen sind von Haus aus sehr begrenzt. Niemand wird helfen, viele werden aber so tun. Am Ende bleibt nur eine gewisse Öffentlichkeit herzustellen und das fürchten die Betreffenden in den Behördenleitungen wie der Teufel das Weihwasser. Es kratzt mächtig am eigenen narzisstischen Ego, wenn einzelne Chefs als das dargestellt werden, was sie zuweilen sind: sozial kalte Menschenschinder. Ein echtes Prachtbeispiel für den furchtlosen Gegenschlag ist Ursula Sarrazin. Diese mutige Frau hat in ihrem Buch die vorgesetzten Täter mit vollen Namen, Dienststellung und Dienstanschrift benannt. Gelüste nach juristischer Rache hat sie mit dem präventiven Hinweis abgetan: Das Recht auf einen Gegenschlag ist in unserem Rechtssystem verbürgt. Bravo!

Der Fall, über den wir lesen müssen, ist in Wirklichkeit nicht der Fall eines Oberkommissars, es ist vor allem ein Fall schlechter Führung und einer, nach meinem Eindruck, stattgefundenen Menschenjagd, um das Opfer endgültig zu erlegen. Der Tunnelblick kann sich auch an allerhöchster Stelle breitmachen.

Inzwischen liegen acht lange Jahre einer strafrechtlichen Verfolgung hinter dem Beamten. Alles begann, als eine Razzia an die Hells Angels verraten wurde. Vor dem Eintreffen der Polizei hatten diese damit vorab Gelegenheit, ihre Vermögenswerte in Sicherheit zu bringen. Schnell stand der angebliche „Schuldige“ fest. Es war unser Kriminaloberkommissar (KOK). Der einzige „Beweis“ war die lächerliche Behauptung eines Höllenengels und selbst das nur vom Hörensagen. Diese denunzierende Methode findet auch bei unliebsamen Staatsanwälten gern Anwendung, die man kaltstellen will. Damit stets verbunden ist der Name der damaligen stellvertretenden Polizeipräsidentin und heutigen Generalstaatsanwältin Margarete Koppers. Später dazu mehr.

Schwerkriminelle glaubwürdiger als Polizeibeamter

Ein Gericht wird später der Staatsanwaltschaft ins Stammbuch schreiben: „Demgegenüber ergäbe sich ein Motiv für die Streuung oder Unterstützung eines falschen Tatverdachtes durch die Rocker – aus Motiven der Rache oder der Ausschaltung für weitere Ermittlungen“. Einfach kann so einfach sein, streue Gerüchte und du bist den hartnäckigsten Ermittler los. Die Staatsanwaltschaft und Polizei führen bereitwillig aus. Ein Triumph für Kriminelle.

Dazu gehörte auch einen Hinweis zu negieren, nachdem der Verräter in den Reihen der niedersächsischen Polizei zu suchen wäre. Nach Presseberichten soll sich kein interner LKA-Ermittler jemals für diese Spur interessiert haben.

Aber die Ermittlungsführer haben noch einen Pfeil im Köcher, denn der KOK, zu dessen Aufgaben schwerpunktmäßig Abfragen aus dem polizeilichen Auskunftssystem gehörten, soll illegal Daten abgefragt haben. Verteidigen darf er sich dazu vor Gericht nicht, denn er erhält keine Aussagegenehmigung und vom Gericht lediglich eine Verwarnung. Der Beamte ist inzwischen gesundheitlich nicht mehr in der Lage, sich zu wehren. Das hält die Staatsanwaltschaft nicht davon ab, gegen das ihrer Ansicht nach „milde Urteil“ von 2017 in Berufung zu gehen. Erneut erhält er keine Aussagegenehmigung und kann sich damit bei der Verhandlung nicht verteidigen. Die Ankläger bestehen auf einer Geldstrafe, obwohl in Berlin seit 2018 illegale Datenabfragen von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit abgemindert wurden. Die Rechnung wurde jedoch ohne die Richterin gemacht, denn diese empfahl der anwesenden Staatsanwältin und ihrem Abteilungsleiter, die Berufung zurück zu nehmen, da man sich „sonst blamieren“ würde.

Nicht nur die Staatsanwaltschaft setzt sich dem Verdacht der voreingenommenen Ermittlungen aus, auch die damalige Vizepolizeipräsidentin Koppers. Die Berliner Zeitung berichtet über folgende Sätze, die Koppers vor versammelter Mannschaft der Berliner Spezialeinheiten gesagt haben soll:

„Man dachte immer, die Abflüsse an die Presse kämen aus dem SEK. Aber jetzt habe man den Richtigen.“ Der Kommissar erstattete wegen übler Nachrede Strafanzeige. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt. Koppers bestritt, diese Worte jemals gesagt zu haben. Der geschädigte KOK berichtet, dass kein Zeuge jemals dazu befragt worden sei. Wenn das stimmt, ist meines Erachtens von einer Strafvereitelung im Amt auszugehen. Gegen Koppers liegen außerdem weitere Strafanzeigen von Polizeibeamten vor. Es ging darum zu prüfen, wer für die Vergiftungen in den Berliner Raumschießanlagen verantwortlich war. Viele Polizeitrainer sollen daran verstorben sein. Koppers wurde trotzdem von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) zur Generalstaatsanwältin befördert und ermittelte seitdem faktisch gegen sich selbst. Auch nach vier Jahren und neun Monaten laufen die Ermittlungen wegen „Körperverletzung im Amt“ noch. Berlin eben.

Einzelfälle? Leider nicht. Mir sind gleich mehrere schwere Fälle im Land Brandenburg bekannt. Anderswo sieht es auch nicht besser aus. Vor kurzem hat sich in Brandenburg eine 21-jährige Beamtin mit ihrer Dienstwaffe erschossen. Eine Meldung an die Presse gab es darüber nicht.


Steffen Meltzer hat als Polizeitrainer 15 Jahre lang Polizeibeamte fortgebildet (zum Beispiel im Schießtraining, für Amoklagen und anderes). Ich habe seine Texte immer sehr geschätzt, und seit dem Kennenlernen schätze ich ihn auch menschlich sehr. Seine Bücher sind durch die Bank sehr empfehlenswert, und gerade in diesen Zeiten lege ich sie jedem sehr ans Herz. Etwa dieses: „Mobbing: Ursachen, Schutz und Abhilfe“. Eine Übersicht über alle Bücher von Steffen Meltzer finden Sie hier auf seiner Homepage im Internet. Unterstützung finden Sie hier.


Bild: Montecruz Foto/flickr.com/CC BY-SA 2.0

Text: Gast

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