„Willkommen in der DDR-Diktatur 2.0“

Per Whatsapp hat mir gerade ein Kollege, der noch in der DDR sozialisiert wurde und seit dem Mauerfall als Journalist in der Bundesrepublik aktiv ist, diese Nachricht geschrieben. Sie hat mich so bewegt, dass ich ihn bat, sie frei zu geben zur Veröffentlichung. Er erlaubte es – bat aber, ihn nicht namentlich zu erwähnen – wie er das begründete, gebe ich hier lieber nicht weiter, aber ich denke, es ergibt sich aus seinem Text.

Hier die Einschätzung des erfahrenen und – wohlgemerkt – politisch fest in der Mitte verankerten Kollegen :

„So Bürger: CDU-Merkel befiehlt aus Südafrika: Wahl in Thüringen müsse rückgängig gemacht werden. FDP-Lindner zwingt Kemmerich in Erfurt, zurückzutreten, Neuwahlen einzuleiten. CDU und FDP bringen die Wahlverlierer Rot-Rot-Grün wieder an die Macht. Dafür opfern sie ihre Parteien vor Ort. Willkommen in der DDR-Diktatur 2.0. Es ist jetzt egal, ob Du CDU, CSU, FDP, SPD, Grüne oder Linke wählst. Sie halten sich gegenseitig und miteinander an der Macht. Es gibt so in der Tat nur noch eine Alternative. ?

PS: Wenige Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur kam in Sachsen-Anhalt 1994 eine rot-grüne Minderheitsregierung dank einer Tolerierung durch die SED-Nachfolgepartei PDS (Partei der Schuldigen/Lambsdorff) an die Macht. Ein Vertrauensbruch der SPD gegen jegliche Versprechen nicht mit der Ex-SED zu kooperieren. Schröder und Lafontaine haben das in Magdeburg durchgedrückt gegen Kohl. So sollte Schwarz-Gelb in Bonn geschwächt werden. 1998 schlossen SPD und Grüne sogar noch einen Tolerierungsvertrag mit der PDS. Sachsen-Anhalt wurde wirtschaftliches Schlusslicht in Deutschland mit höchsten Arbeitslosenzahlen.

Eine Regierung der Vernunft und Mitte mit einem Liberalen Ministerpräsidenten bekam hingegen in Erfurt keine Chance. Danke Merkel, Lindner und Söder. ?“

Weil das heute so viele nicht mehr wissen, hier noch einmal eine Betonung des Selbstverständlichen: Die Meinungen von Gastbeiträgen geben nicht meine Meinung wieder. Im konkreten Fall bin ich immer sehr skeptisch DDR-Vergleichen gegenüber. So sehr ich ansatzweise das Denken und die Methoden der DDR wieder erkenne, so sehr verwehre ich mich gegen eine Gleichsetzung. Die ist von meinem Kollegen auch nicht beabsichtigt, denke ich – er möchte nur drastisch auf die Gefahren aufmerksam machen. Und ich finde: Das ist sein gutes Recht.

Aus gut informierten Quellen habe ich gehört, dass der Druck auf Lindner und über diesen auf Kemmerich immens gewesen sein muss. Von „Erpressung“ ist die Rede. Was genau hinter den Kulissen passiert ist, werden wir vielleicht nie, aber wohl sicher nicht bald erfahren.

Es gibt tatsächlich Kollegen, die glauben, der Rücktritt Kemmerichs sei freiwillig gewesen.

Ich kann nur staunen angesichts solcher Einfalt! Ich habe 16 Jahre in Moskau eine von Altkadern „gesteuerte Demokratie“ erlebt und habe in Merkels Deutschland ein Déjà-vu nach dem anderen. Und so sehr ich versuche, die Gedanken daran zu vertreiben, dass beide in der gleichen Schule politisch sozialisiert wurden – in kommunistischen Kaderorganisationen – diese Gedanken kommen mir immer wieder in den Kopf. Weil ich bei beiden eine in vielem ähnliche Handschrift sehe (an einem Artikel darüber sitze ich seit langem – bei Interesse bitte Bescheid geben via Kommentare) – wobei Putin wohl das Gegenteil eines Kommunisten ist, aber eben die alten (Macht-)Methoden nutzt, die vor allem für „Wessis“ so schwer zu erkennen und zu durchschauen sind. Mir machen diese ständigen Déjà-vus Angst. Und ich hoffe, dass ich einfach nur übersensibilisiert bin und in Wirklichkeit alles halb so schlimm. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

P.S.: Eine Leserin schrieb mir:„Damit hat sich eine totalitäre im Internet und auf den Straßen hetzende und Kemmerich mit Gewaltaktionen drohende Meute – unterstützt von Politikern, die über ihren Eigeninteressen alle demokratischen Ideen zu verraten bereit waren – einen enormen Sieg eingefahren. Eine Katastrophe für die FDP, von der zahlreiche liberale Wähler nun zur AfD wechseln werden. Aber noch fataler: Seit 1945 vermutlich eine der schwärzesten Stunden der Bundesrepublik Deutschland.“

P.S.: Für die twitter-Abstinenzler hier noch ein paar aktuelles Tweets von mir zum Thema.



Bild: Lupus in Saxonia via Wikicommons, Lizenz CC BY-SA 4.0

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