Corona-Bauchklatscher für Söder und Medien Die "Super-Spreaderin" von Garmisch: Wie eine Mücke zum Elefanten wurde

Ein legendärer Witz aus der Sowjetunion, der die Lügen von Politikern und Medien aufs Korn nimmt, lautet wie folgt: Frage an Radio Eriwan – „Stimmt es, dass Genosse Iwanow einen Lada als Auszeichnung dafür bekommen hat, dass er den Plan dreifach übererfüllt hat?“ Antwort – „Im Prinzip stimmt das. Nur dass es nicht Genosse Iwanow war, sondern Sidorow, und er bekam keine Auszeichnung, sondern fünf Tage Arrest, und nicht für die Übererfüllung des Plans, sondern weil er drei Tüten mit Ersatzteilen aus der Fabrik gestohlen hat.“

Ganz nach diesem Muster, nur mit etwas umgedrehten Vorzeichen, verlief die Berichterstattung über die angebliche Corona-Katastrophe von Garmisch-Partenkirchen. Die sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Die offizielle Version lautete so: „Eine 26-jährige US-Amerikanerin verstieß mutwillig gegen ihre Quarantäne-Auflagen, machte sich auf eine Kneipentour und steckte dabei Dutzende Menschen an. Ministerpräsident Markus Söder schaltete sich empört ein und erklärte das Geschehen praktisch zum Präzedenzfall, aus dem alle ihre Lehren ziehen müssten: Es sei ein „Musterfall für Unvernunft“, und der müsse „Konsequenzen haben“, sagte der CSU-Chef und forderte „entsprechend hohe Bußgelder“. Söders Innenminister Herrmann (CSU) sprach gar von Schadenersatzforderungen. Die bayerische Justiz nahm Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung auf. Jetzt kam raus: Ob es überhaupt Quarantäne-Auflagen gab für die Frau, ist unbekannt, sie machte keine Kneipentour, ja konnte gar keine machen, bei einem Massentest nach dem Corona-Alarm wegen ihrer angeblichen Eskapaden gab es bei drei von 1000 Getesteten ein positives Ergebnis, und keine einzige Infektion ist nachweislich auf die Frau zurück zu führen.

Was für ein Bauchklatscher für den großen Corona-Sheriff Söder! Und für die Medien! Schon das Ergebnis des Massentests war peinlich (ich berichtete). Aber so richtig dick ist es erst jetzt gekommen!

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So viel Fake-News waren selbst dem ARD-Faktenfinder zu viel, der sonst meistens stramm auf Linie ist. In einem Beitrag dort wird die Garmisch-Geschichte auseinandergenommen. „‘Landrat Anton Speer betonte, die Frau habe „wissentlich die Quarantäne nicht eingehalten‘. Doch bereits diese Angabe ist umstritten: So konnte das Landratsamt auf Nachfrage nicht angeben, ob der Frau gesagt wurde, dass sie zu Hause bleiben muss oder ob es ihr nur angeraten wurde. Das sei ‘aus Kapazitätsgründen bei Teststationen und Ämtern derzeit auch schwer nachzuvollziehen‘. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hingegen zeigte sich überzeugt: ‘Man hat ihr ja wohl geraten, empfohlen, ihr gesagt, sie muss sich in Quarantäne begeben‘, so Herrmann am Sonntag gegenüber dem BR.“

Mit einem Wort: Es herrscht Chaos im Reich von Söder. Und vor dem gerade Ex-Focus- und Gong-Chefredakteur Helmut Markwort in einem Interview mit mir gewarnt hatte: Er wirft ihm autoritäre Tendenzen, Allmachtsstreben und einen „Hang zu Schmutzeleien“ vor.

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Besonders peinlich für die Medien, Politiker und Behörden: Sie schreiben von einer „Kneipentour“ der 26-Jährigen. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Sei kennen die Rechtslage nicht oder sie glauben, dass in Bayern auf die Regeln gepfiffen wird. Denn reine Bars, Kneipen und Betriebe des Nachtlebens dürfen in Bayern noch gar nicht öffnen. Die Frau war in Speiselokalen. Und an einem der fraglichen Orte war sie überhaupt noch vor dem Test.

Fragwürdige Auskünfte

Zudem ist bislang keine einzige Infektion in Garmisch-Partenkirchen nachweislich auf die 26-Jährige zurückzuführen, die von Politikern, Journalisten und Beamten seit vielen Tagen als „Superspreaderin“ regelrecht an den Pranger gestellt wird. Der ARD-Faktenfinder schreibt dazu: „Fragwürdig erscheint in diesem Zusammenhang das Verhalten des Landrats und einiger Medien, die die Verantwortung für den Anstieg der Zahlen eines ganzen Landkreises ohne Beweise dem Verhalten einer jungen Frau anlasten.

Der Vorfall erinnert an Corona-Ausbrüche in Göttingen Anfang Juni sowie beim Fleischkonzern Tönnies in Nordrhein-Westfalen. Auch damals wurden vorschnell Schlüsse gezogen und Falschinformationen verbreitet.

Bild: patjm/istockphoto
Text: red
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