Corona-Chaos: „Wie im Dreißigjährigen Krieg“ Deutschland ist wieder ein Flickenteppich – eine Herbstreise

Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen

Es erheitert schon ein wenig, dass man als Berliner in Schleswig-Holstein nur willkommen ist, wenn man sich in den letzten Tagen nicht in Mitte aufgehalten hat.

Ähnlich wie in der Deutschen Revolution lässt sich Schleswig-Holstein aber gern erobern, wenn eine bundeseinheitliche Regelung kommt. Dann wäre man in der unionsgeführten Regierung schon bereit, nachzubessern. Wir brauchen also einen neuen Nationalkonvent, am besten in der Frankfurter Paulskirche.

Ob die Bürger das auch so sehen, ist fraglich. Sogar die Zeitungen berichten schon darüber, dass Anwohner das Gesundheitsamt einschalten, wenn sie einen Berliner Wagen in der Nachbarschaft sehen.

In Mecklenburg lässt man die Berliner noch rein, aber nicht bestimmte Landkreise aus NRW, die zu Risikogebieten zählen. Die Berliner dürfen noch ins Umland fahren, sprich Brandenburg, aber dort nicht kommerziell übernachten, ein paar Kilometer weiter, in Mecklenburg geht das aber noch. Ein Glück!

Wir Berliner haben immer noch die Möglichkeit, ins Nachbarland Polen zu reisen. Dort gibt es zurzeit für uns keine Beschränkungen.

In Sachsen-Anhalt sind wir nicht gern gesehen und dürfen auch nicht dort übernachten, wenn wir aus den betroffenen Stadtbezirken Berlins kommen, also Mitte, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Kreuzberg-Friedrichshain.

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Das gleiche gilt für Bayern, Sachsen, Saarland, Hamburg, Baden-Württemberg und Hessen. Wir sind also ziemlich unbeliebt in Deutschland, weil Berlin ja eine große Party-Meile ist, der Ballermann am Reichstag sozusagen.

Sei es drum, ich flüchte mich in die Vergangenheit, in der es in Deutschland ähnlich aussah.

Wer eine Reise auf den Spuren des Dreißigjährigen Krieges unternehmen möchte, der hat jetzt den richtigen Zeitpunkt gefunden. Ich empfehle eine Reise mit dem eigenen Auto und Berliner Kennzeichen in die ehemalige Kurpfalz. Vielleicht nach Worms? Wunderschöne Luther-Stadt, die um 1620 ihre Wende ins Katholische erlebte. Als Preuße kommt man da per se aus einem Risikogebiet. Jedenfalls sind wir da jetzt nicht erwünscht und werden mit Bußgeld belegt, wenn wir es wagen, dort aufzutauchen, ähnlich wie in Schleswig-Holstein.

Man könnte natürlich als Illegaler dort einreisen, sollte sich aber sicher sein, dass man nicht gelyncht wird, wenn man in einem Gasthaus Unterschlupf begehrt. Gut ist in dieser Ecke, ein Säckchen mit Goldmünzen unter dem Gewand zu tragen, das hilft in Worms und auch in den übrigen katholischen Regionen Deutschlands immer, nicht aber in Schleswig-Holstein. Dort ist Vorsicht angebracht.

Es gibt in Schleswig-Holstein immer noch ausgedehnte Moorgebiete, in denen man infektiöse Fremde aus Berlin versenken kann. In tausend Jahren rätselt man dann, warum da eine Moorleiche mit Mercedesschlüsseln liegt.

Deutschland wird mir immer sympathischer. Endlich bricht auseinander, was nicht zusammengehört und zwar auf breiter Front. Nicht nur Ost und West, auch Nord und Süd. Rot und Schwarz, protestantisch und katholisch. So habe ich mir das immer gewünscht. Ein echtes Abenteuerland nach meinem Geschmack.

Für die Herbstferien habe ich mir eine Reise vorgenommen, die Vergangenheit und Gegenwart verknüpfen soll. Ich will Deutschland als Flickenteppich mit verfeindeten Fürstentümern erleben.

Ich werde mich durch Brandenburg bis zur Belagerung von Bautzen durchschlagen, wo ich natürlich keine offizielle Bleibe finden kann, weil es Sachsen ist. Wenn ich mir die Reste der Belagerung von 1620 angesehen habe, schlage ich mich aus der Oberlausitz ins nahegelegene Böhmen (polnischer Teil) durch, wo ich um nächtliches Asyl nachfrage. Am nächsten Tag werde ich mich dann in das unheilvolle thüringische Zentrum der Reformation und einiger Bandstifter des Dreißigjährigen Krieges begeben.

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Einer davon ist Bodo Ramelow, nein falsch, Martin Luther, der stur und dogmatisch, überall in Thüringen seine Spuren hinterlassen hat.

Nichts desto trotz werde ich auch dort mit Schimpf und Schande fortgejagt, wenn ich als Berliner Unterkunft begehre. Also schlage ich mich durch in die Feste Coburg ins neutrale Sachsen-Coburg, wo ich hoffe, nicht verfolgt zu werden, obwohl es in Bayern liegt. Zumindest kenne ich dort Leute mit einer Garage, wo ich heimlich unterkommen kann.

Die Höhle des Löwen, das Königreich Bayern, habe ich damit erreicht und werde mich am nächsten Tag nach Ulm (Ulmer Frieden) und am Tag drauf nach Donauwörth (Kreuz- und Fahnengefecht von 1607) durchschlagen, wobei ich noch bei einem Freund in Ingolstadt über Nacht vorbeischaue, der mich bestimmt nicht verrät und bei dem ich auch nicht kommerziell übernachte, weshalb ich in Bayern fast ein Legaler sein werde. Fast, denn ich komme ja aus Preußen.

Am fünften Tag meiner Reise werde ich dann ins echte Feindesland vordringen, wo ich überhaupt nicht sein darf! Ich fahre nach Mingolsheim, wo die katholische Liga die protestantische Kurpfalz besiegte, auch so um 1620, glaube ich und dann fahre ich über Speyer (Dom und Schauplatz diverser Belagerungen) nach Worms. Eine großartige Stadt, die von den Schweden bis zur Pest im Dreißigjährigen Krieg alles ausgehalten hat. Die wird mich als Schwedenfan und leibhaftiges Corona-Risiko auch noch aushalten.

Ich darf mich nur nicht erwischen lassen, denn in Rheinland-Pfalz bin ich absolut illegal.

Auf der Rücktour fahre ich dann schnell durch Hessen nach Niedersachsen, wo ich noch in Freundesland bin und keine echten Risiken zu erwarten habe. Den westfälischen Frieden (NRW ist auch Freundesland für die Berliner) lasse ich in Münster links liegen und werde in Braunschweig Rast machen. Eine wunderbare Stadt, die ich jedem empfehlen kann. Die Niedersachsen haben sich im Dreißigjährigen Krieg übrigens mit den Dänen angelegt und schlugen diese 1626 südlich von Salzgitter, ganz in der Nähe, vernichtend. Genau dort führt meine Lieblingsautobahn vorbei.

Ich werde dann vielleicht auf dem Rückweg durch Sachsen-Anhalt noch das Winterlager von Albrecht von Wallenstein mitnehmen, das in der Nähe von Magdeburg an der Elbe lag. Übernachten muss ich dort ja nicht, darf ich auch nicht! Berlin ist ja ganz in der Nähe und die paar Kilometer werde ich es auch noch mit einem Berliner Kennzeichen schaffen.

Schöne Tour – und sehr, sehr gefährlich im fragmentierten Deutschland unserer Tage. Ich hoffe, ich komme lebend zurück und lande nicht an irgendeinem Galgenbaum. Davon gab es ja damals genug, heute irgendwie auch – nur anders.

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Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“


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Bild: Bjoern Wylezich/Shutterstock
Text: Gast

 

 

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