Corona: Wie sich die Regierung um Antworten drückt Geballtes Schweigen und schreiende Widersprüche

Zu hundert Prozent sicher ist nur der Tod, besagt eine alte Redensart. Heute scheint die nicht mehr zu gelten. Zumindest bei Corona. „Wenn ein PCR-Test durchgeführt ist, dann gehen wir von einer Spezifität von annähernd hundert Prozent aus“ – so antwortete Sebastian Gülde, Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit, heute auf der Bundespressekonferenz (BPK) auf meine nochmalige Frage nach der Fehlerquote bei den Tests (siehe hier). Die Spezifität eines diagnostischen Testverfahrens ist die Wahrscheinlichkeit, dass in Wirklichkeit Gesunde auch wirklich als gesund erkannt werden.

Auf gut Deutsch bedeutet die Aussage des Sprechers: Die PCR-Tests sind so gut wie fehlerfrei. Zumindest aus Sicht der Regierung. Pikant dabei: Ursprünglich hatte ich die Frage am Freitag der BPK explizit wegen der vielen falschen Tests gestellt, die in den vergangenen Wochen aus dem Profifußball bekannt wurden. Am Montag konnte eine andere Sprecherin des Ministeriums die Frage nicht genau beantworten – hatte aber noch eingeräumt, dass es Fehler gebe: „Das RKI hat auf seiner Internetseite Informationen darüber zur Verfügung gestellt, dass es tatsächlich zu falsch positiven Testergebnissen kommen kann. Es gibt eine gewisse Prozentzahl dieser Testergebnisse, und das wird auch sehr transparent kommuniziert.“ Faszinierend, wie binnen zwei Tagen die Fehlerquote von „einer gewissen Prozentzahl“ auf praktisch null ging.

Und dann auch noch das: Just an dem Tag, an dem das Ministerium die Tests für fehlerfrei erklärte, wurde auch bekannt, dass in einem Augsburger Labor zahlreiche Corona-PCR-Tests falsch-positive Ergebnisse hervorgebracht haben. Demnach hat das psychiatrische Isar-Amper-Klinikum im oberbayerischen Taufkirchen/Vils die Häufung positiver Fälle nicht erklären können und Patienten ein zweites Mal testen lassen. 58 von 60 positiven Tests stellten sich laut Bericht als falsch heraus. Die Geschäftsführerin des Labors erklärte laut Reuters die Fehler „mit Knappheit an Reagenzien“. Das Labor habe wegen des Lieferausfalls eines Herstellers auf ein anderes Nachweismittel zurückgreifen müssen, das offenbar nicht kompatibel gewesen sei, so der Merkur.de: „Aufgrund des hohen Probenaufkommens und des fehlenden Zubehörs war eine Kontrolle positiver Ergebnisse nicht in allen Fällen zeitnah möglich“, zitierte der Münchner Merkur die Geschäftsführerin.

In meiner Frage an die Bundesregierung hatte ich am Montag zudem auf einen Aufsatz von Biovis Diagnostik verwiesen. Darin hieß es zur Spezifität: „In den letzten Monaten kam es immer wieder zu Berichten, die Zweifel an der Spezifität der SARS-CoV-2-PCR aufkommen ließen. Es wurden Personen positiv auf das Virus getestet, ohne dass Symptome vorlagen. Durch örtliche Gesundheitsämter angeregte Nachtestungen ergaben einen negativen Befund. Wie kam diese Diskrepanz zustande? Viele Labore setzen zum Nachweis von SARS-CoV-2 PCR-Verfahren ein, die nur das E-Gen des Virus erkennen.

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Diese Tests sind kostengünstig und zeichnen sich durch eine hohe Sensitivität aus. Da das E-Gen, welches lediglich die Virushülle codiert, aber nicht spezifisch für SARS-CoV-2 ist, sondern auch andere Coronaviren (Sarbecoviren) erkennt, wurden früher E-Gen-positive Proben mit einer zweiten PCR untersucht, um sicherzustellen, dass es sich wirklich um SARS-CoV-2 handelt.“

Auch wenn man sich die ellenlange Liste der angewandten Tests – mehr als 550 – ansieht, die aus aller Herren Länder von der Ukraine bis China stammen, wirkt die Bestätigung der Fehlerfreiheit durch das Ministerium gewagt. Zumal die Tests keinen Qualitätstest durchlaufen müssen. Und auch nicht genormt ist, ab welcher Intensität von Virenbestandteilen eine Probe als positiv gilt (sogenannter Ct-Wert). Hier die Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, die dort zumindest zeitweise nicht mehr angezeigt wurde:

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Bis heute unbeantwortet ist meine Frage, ob es zulässig ist, dass die Bahn Kunden mit Masken-Befreiungsattest aus ihren Zügen verweist (siehe hier). Die Frage hatte zu einer heftigen Reaktion von Merkel-Sprecher Steffen Seibert geführt, der mir die Empfehlung gab, den Lesern meiner Seite die offiziellen Informationen der Bundesregierung zur Verfügung zu stellen (siehe hier). Für ihn scheint die Presse also zur Verlautbarung von Regierungsangaben da zu sein. Ebenfalls faktisch unbeantwortet blieb die Frage, wie die Bundesregierung nach Tests in der Schweiz, die sieben von acht Stoffmasken eine weitreichende Wirkungslosigkeit bescheinigten (siehe hier), sicherstellen will, dass Masken ausreichend getestet und die Bevölkerung damit hinreichend geschützt ist (siehe hier). Unbeantwortet blieben auch meine Fragen, ob es korrekt ist, wie Seibert von „Neuinfizierten“ zu sprechen statt von „positiv Getesteten“, wie sie Kritik aus Labors werten, dass billige Tests oft falsche Ergebnisse liefern (der Text von Biovis oben), und ob sich auch gewöhnlich Sterbliche ein zweites Mal oder noch öfter testen lassen können wie die Fußball-Profis (anzusehen hier).

Unbeantwortet ist auch meine Frage an das Bundesjustizministerium vom 23.10., wie die Abwägung in Sachen Quarantäne ausfalle (siehe hier): Einerseits können die Behörden laut dem Infektionsschutzgesetz anordnen, dass Menschen „abgesondert“ werden, also ihnen damit ihre Freiheit faktisch entzogen wird. In der Regel durch einen als „häusliche Isolation“ bezeichneten Hausarrest. Artikel 104 Grundgesetz besagt indes, dass Menschen ihre Freiheit nur auf richterliche Anordnung entzogen werden darf. Im Internet kursieren Aussagen von Rechtsanwälten, die der Auffassung sind, dass deshalb die Anordnungen von Quarantäne durch Gesundheitsämter grundgesetzwidrig seien. Die Sprecherin des Ministeriums sagte, dass sie sich dazu spontan nicht äußern könne und eine Antwort gegebenenfalls nachreichen werde. Bis heute wurde nichts nachgereicht.

Auch auf die Problematik des uneinheitlichen Ct-Werts der Tests (siehe mein Interview mit dem Abgeordneten Luthe) vom 23. Oktober gab es bislang keine Antwort: Ob hier eine Vereinheitlichung geplant sei durch das Gesundheitsministerium, hatte ich die Regierung gefragt. Gesundheitsministeriums-Sprecher Gülde antwortete, zu einer gesetzlichen Vereinheitlichung des Ct-Werts lägen ihm keine Erkenntnisse vor. Er müsse eine Antwort ggf. nachreichen (anzusehen ebenfalls hier)

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Bislang hat das Gesundheitsministerium nur auf eine Anfrage von mir, die es nicht beantworten konnte, eine Antwort nachgereicht. Ich hatte gefragt, ob es Studien zur Auswirkung von Masken auf Kinder gebe und ob solche geplant seien. Dazu das Ministerium später: „Das BMG teilt auf die Frage, ob dem BMG Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Tragens von Mund-Nase-Bedeckungen bei Kindern vorlägen, mit: Uns sind keine Studien mit Hinweisen auf unerwünschte medizinische Wirkungen durch das Tragen von Mund-Nasenbedeckung/Mund-Nasenschutz bei sonst gesunden Kindern und Jugendlichen bekannt. Bei Kindern mit chronischen Erkrankungen sollte individuell der Rat der/des betreuenden Ärztin/Arztes eingeholt werden. s. auch Empfehlungen des DGKJ: https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Meldungen_2020/200504_DGKJ_Maskenempfehlung_aktualisiert.pdf“

Faktisch geht die Antwort aber an der Frage vorbei. Denn es ging um Studien und Pläne für diese. Nicht darum, ob es „Hinweise auf unerwünschte medizinische Wirkungen“ gebe. Das ist ein großer Unterschied.

Wie auch immer man zu den Corona-Maßnahmen steht: Dass die Regierung fachliche Fragen, die heute uns alle angehen, ja über Schicksale von Menschen entscheiden wie der Test, nicht nur unzureichend oder auf eine sehr wenig vertrauenserweckende Weise beantwortet, ist einer Demokratie unwürdig. Es zeigt, wie weit die Dinge im Argen liegen. Und wie wenig auch die Medien ihrer Kontrollfunktion nachkommen. Denn sie müssten das Fehlen der Antworten groß thematisieren. Statt sich an Empfehlungen wie die von Seibert zu halten, Informationen der Regierung zu verkünden.

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PS: Aufgrund einer beruflichen Reise, unter anderem zu Servus TV am Sonntag, komme ich leider erst wieder frühestens nächsten Mittwoch in die Bundespressekonferenz.


+++ Aktualisierung am 29.10.2020 +++

Nach Erscheinen dieses Beitrags wurden von der Bundesregierung zwei Antworten nachgereicht. Ich bringe sie hier wörtlich:

Gerne möchte ich noch einmal folgende Punkte anführen, welche in der Reg-PK vom 26.10.2020 eigentlich schon erwähnt wurden.
– Zur Frage nach der Qualität von Stoffmasken:

Mit dem zunehmenden Wissen über die Eigenschaften des Coronavirus SARS-CoV-2 verbunden ist eine dem Ausbruchsgeschehen angepasste Einschätzung des Nutzens von Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB). Diese Schutzmaßnahme gibt es in den unterschiedlichsten Formen; von den selbstgenähten Alltagsmasken bis hin zu solchen, die im medizinischen Bereich eingesetzt werden. Übersichten zu den unterschiedlichen Formen und Typen können bspw. auf den Seiten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des RKI eingesehen werden.
Die Verwendung von MNB bildet einen Baustein, der zusätzlich zu anderen Maßnahmen und bei korrekter Anwendung das Risiko von Übertragungen reduzieren kann. Durch das Tragen von MNB wird nicht die Filtration eindringender, sondern das Zurückhalten bzw. Abbremsen ausgestoßener, möglicherweise infektiöser Flüssigkeitspartikel bezweckt. Dadurch ergibt sich eine geringere Exposition von anderen Personen in der Gemeinschaft. So entsteht ein gemeinschaftlicher Effekt, der zusätzlich zu den Abstandsregeln und anderen Maßnahmen zum Abbremsen eines Infektionsgeschehens beitragen kann.

Verweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf das in der Regierungs-PK am 26.10.2020 bereits erwähnte umfassende Informationsangebot des RKI, zudem auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine parlamentarische Anfrage der AfD-Fraktion. Sie finden diese unter folgendem Link: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/235/1923537.pdf

– Zur Frage nach der Kontrolle der Maskenpflicht in der Bahn

Verbindliche Vorgaben bezüglich der Pflicht zum Tragen einer MNB und wann diese Pflicht, z. B. aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, nicht gilt, sind in den einzelnen SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnungen der Bundesländer festgelegt. Den Ländern obliegt auch die Überwachung der Maßnahmen.


Bild: KieferPix/Shutterstock
Text: br


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