Die Politisierung des Rechtsstaats Die DDR hat gewonnen - Teil 2

Ein Gastbeitrag von Alexander Fritsch

Trilogie über Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Demokratie – den drei großen Konfliktfeldern im deutschen Systemkampf West gegen Ost. Die Wiedervereinigung hat geschafft, was bis 1990 unmöglich schien: Alle drei Schlachten hat der Westen verloren.

 

„Unsere Juristen müssen begreifen, dass der Staat und das von ihm geschaffene Recht dazu dienen, die Politik von Partei und Regierung durchzusetzen.“
(Walter Ulbricht – Rede im April 1958)

 

Teil 2. Die rote Laterne einer politisierten Justiz

Wer 2020 leise oder auch etwas lauter daran zweifelt, ob man noch von einem unabhängigen Rechtsstaat sprechen kann, der erntet Applaus – sofern sich die Kritik auf Polen bezieht, auf Ungarn oder seit neuestem (wegen der Urteile in der Katalonien-Krise) auch auf Spanien.

Auf Zweifel am deutschen Justizsystem reagiert der polit-mediale Mainstream dagegen sofort sehr empfindlich. Dann ist der Rechtsstaat in Gefahr – und zwar ausgerechnet wegen „Kritik an der Justiz“. Das ist zwar ein offenkundiger Zirkelschluss, aber im „Kampf gegen Rechts“ ist bekanntlich jedes Mittel recht.

Vor allem DDR-Vergleiche seien heillos überzogen und eigentlich Verschwörungstheorien, so lautet auch hier dann das Mantra. Der Rechtsstaat stehe nicht zur Disposition. Wirklich nicht? Faktencheck:

Niedersachsens Regierungschef ist eigentlich zur Neutralität im politischen Meinungsstreit zwischen Parteien verpflichtet. Das Landesverfassungsgericht hat dem SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil trotzdem erlaubt, kritische Tweets gegen eine rechtskräftig erlaubte Demonstration der (zur Erinnerung: nicht verbotenen) Partei NPD zu veröffentlichen und zu Gegendemonstrationen aufzurufen.

Besonders die Begründung verblüfft: Weil habe zwar gegen das Recht der NPD auf chancengleiche Teilnahme am politischen Prozess verstoßen. Da es aber um „die Sensibilisierung der Bevölkerung für demokratiegefährdende Entwicklungen“ gegangen sei, sei dieser Rechtsverstoß (!) durch seine Amtsbefugnisse (!!) gedeckt (!!!).

Niedersachsens Verfassungshüter bezeichnen eine genehmigte Demonstration also als „demokratiegefährdende Entwicklung“, offenbar weil die falschen Leute demonstrieren.

Das nennt man dann wohl: Willkür

Man stelle sich vor, es wäre um einen Aufmarsch von „Fridays for Future“ gegangen, ein anderer Ministerpräsident hätte gegen diese Versammlung getweetet und zu Protesten gegen die Schule schwänzenden Klimakinder aufgerufen: Hätten die Richter dem Ministerpräsidenten das auch durchgehen lassen?

Meine persönlichen Sympathien für die NPD liegen bei genau Null, doch darum geht es hier ja eben gerade nicht. Und darum hätte es auch den Richtern nicht gehen dürfen: Der Rechtsstaat ist ein formales Konzept. Seine Stärke liegt darin, dass er eben nicht inhaltlich und schon gar nicht politisch argumentiert – und genau deshalb (und nur deshalb) nicht willkürlich werden kann.

Niedersachsens Verfassungsrichter sind hier der Versuchung einer Politisierung des Rechtsstaats erlegen – und zwar zugunsten der Staatsmacht, was die Sache noch deutlich verschlimmert.

Was am schlimmsten ist: Das passiert täglich dutzendweise, überall in Deutschland

Vor allem seit Beginn der Corona-Krise schlagen sich die Gerichte mehr und mehr auf die Seite der Regierenden – auch und gerade, wenn es um massive Einschränkungen von Grundrechten geht.

Dabei gelingt in den Urteilsbegründungen mitunter eine akrobatische Dialektik. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen bestätigt zwar, dass das Verbot anderer als ortsfester Demonstrationen durch die Sächsische Corona-Schutzverordnung erheblich in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingreift. Im nächsten Satz erklären die Bautzener Richter aber (ohne Begründung), dieses elementare Grundrecht könne auch durch eine einfache Rechtsverordnung beschränkt werden, dazu brauche es noch nicht einmal ein Gesetz.

Ein deutsches Gericht erlaubt also die Aussetzung eines verfassungsmäßig garantierten Grundrechts durch einen einfachen Verwaltungsakt, ohne jede Parlamentsbeteiligung. Man erinnert sich: Auch in der Verfassung der DDR waren zahllose Rechte – wie es dort hieß – „gewährleistet“.

Dass das nicht das Papier wert war, auf das es gedruckt wurde, konnte man ausgerechnet in Bautzen auch besichtigen: Dort betrieb das Ministerium für Staatssicherheit ab 1956 – und noch bis ganz zum Ende der DDR – ein Gefängnis für „politische Sondergefangene“: für Oppositionelle.

Die Richter in Bautzen haben offenbar eine ganz eigene Idee von Geschichtsbewusstsein.

Den Vogel abgeschossen hat jüngst das Oberverwaltungsgericht Münster. Dort wurde die weitgehende Beschränkung gleich JEDER nicht stationären Versammlung ohne Einzelfallprüfung durchgewunken. Damit wird das elementare Grundrecht auf Versammlungsfreiheit – eine tragende Säule der freiheitlichen demokratischen Gesellschaft – pauschal anderen Rechtsgütern wie dem Gesundheitsschutz untergeordnet. Und das nicht von Verfassungs-, sondern von Verwaltungsrichtern.

Im Westen. Im Jahr 2020.

„Wenn ich in Deutschland einen Staatsstreich machen wollte, dann würde ich eine Corona-Pandemie erfinden.“
(Udo di Fabio – Interview am 20. Juli 2020)

Der Mann, der das sagt, ist nicht irgendwer, sondern einer der profiliertesten Rechtsgelehrten Deutschlands – und ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht.

Woran mag es liegen, dass man sich auch bei nüchterner Betrachtung einfach nicht des Eindrucks erwehren kann, dass neben dem Wissenschaftsbetrieb und den Leitmedien auch die Justiz sich zunehmend politisiert? Der Hauptgrund dürfte dieser sein:

Die deutsche Justiz ist nicht unabhängig

Die Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden, auf Länder- wie auf Bundesebene. Und die Weisungen kommen von: Politikern. Auch Deutschlands Richter sind von der Politik abhängig, denn vor allem auf Bundesebene kommen sie nur mithilfe der Politik ins Amt.

Ein erschütterndes Beispiel ist das Bundesverfassungsgericht. Dort geht das so:

Der Bundesjustizminister – also ein Kabinettsmitglied, das der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin unterliegt – macht Bundestag und Bundesrat einen Kandidatenvorschlag. De facto passiert das nach Absprache der großen Parteien. Bis zum Jahr 2016 hatten CDU/CSU und SPD sich darauf geeinigt, Kandidaten weitgehend abwechselnd vorzuschlagen. Danach nahm man auch Bündnis‘90/Grüne in das Richterwahlkartell auf – weil ohne die Ökopaxe im Bundesrat die vom Grundgesetz vorgeschriebene Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreichbar gewesen wäre.

Im Ergebnis hat Deutschland – das andere so gerne in Sachen Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit belehrt – unter anderem diese Verfassungsrichter:

Stephan Harbarth (CDU, ehemals stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
Josef Christ (ehemals Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundeskanzleramt)
Monika Hermanns (ehemals Referatsleiterin im Saarländischen Justizministerium)
Peter Müller (CDU, ehemals Saarländischer Ministerpräsident)
Yvonne Ott (ehemals Referatsleiterin im Hessischen Finanzministerium).

Wie man es über die richtige Politik bis ins Verfassungsgericht bringt, weiß auch Christine Langenfeld: Sie war einst Vorsitzende des „Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration“. Das ist – entgegen dem Namen – keine Organisation von Experten, sondern von Pro-Zuwanderungs-Aktivisten.

Sie haben bis hierher immer noch keine Zweifel daran, dass die deutsche Justiz unabhängig und unpolitisch ist?

„Die Entscheidung für den Mauerbau war 1961 für die Führungen der Sowjetunion und der DDR alternativlos.“

Das hat, zusammen mit anderen, eine gewisse Barbara Borchardt geschrieben, als sie für die SED/PDS/Linke Landtagsabgeordnete in Mecklenburg-Vorpommern war. Zuvor hatte es Frau Borchardt, heute 64, im lupenreinen Rechtsstaat DDR zur Diplom-Juristin und zu einer „Kaderkarriere in der SED“ gebracht.

„Konsequenter Antineoliberalismus setzt unter heutigen Bedingungen voraus, die Frage von Eigentum und Macht zu stellen.“

Das hat, zusammen mit anderen, auch Frau Borchardt geschrieben, da war sie Mitbegründerin der „Antikapitalistischen Linken“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet diese Organisation von linken Menschen, denen die SED/PDS/Linke nicht links genug ist: weil sie einen (grundgesetzwidrigen) „grundsätzlichen Systemwechsel“ sowie die (grundgesetzwidrige) „Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung“ anstrebe – und zwar durch einen (grundgesetzwidrigen) „Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen“.

Zu beiden Texten steht Frau Borchardt bis heute.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin für Meinungs- und Redefreiheit, und zwar uneingeschränkt. Das meine ich tatsächlich so. Meinetwegen darf Frau Borchardt so viel Zeug gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und gegen die von unserem Grundgesetz geschützte Idee des Eigentums verbreiten, wie sie halt will.

Aber diese Dame mit der schweren Beziehungsstörung zu unserer Verfassung wurde gerade vom Landtag in Mecklenburg-Vorpommern zur Verfassungsrichterin gewählt – und zwar mit den Stimmen der CDU. Die Union in Meck-Pomm, war da nicht was? Ach ja: Das ist der Heimatverband von Angela Merkel. Schwer vorstellbar, dass da etwas Bedeutendes gegen ihren Willen passiert, oder?

Eine linksextreme Verfassungsgegnerin als Verfassungsrichterin, und das mit dem Segen der Kanzlerin: So flackert die rote Laterne der deutschen Justiz im Jahr 2020.

Niemand hat die Absicht, einen Sozialismus zu errichten.
Hare, Hare, Rama, Rama.

Am Sonntag im letzten Teil: Der Schattenriss einer deformierten Demokratie

Hier geht es zu Teil 1: Das flackernde Licht einer Staatswirtschaft

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Alexander Fritsch, Jahrgang 1966, studierte Volkswirtschaft und Philosophie in Frankreich und Deutschland und arbeitet seit 25 Jahren als Journalist. Außerdem berät er als Business Coach Unternehmen und Verbände, vorrangig bei den Themen Kommunikation und Strategie.

 


Bild: Quick-Sale.de/Shutterstock
Text: gast

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