Fallzahlen sinken, Grundrechts-Eingriffe steigen Beschlussvorlage der Corona-Konferenz: Wegsperren auf Verdacht?

Obwohl die Zahl positiver Testergebnisse zurückgeht, will die Bundesregierung noch stärker auf die Bremse drücken als bisher: in ihrer (Videoschalt-) Konferenz mit den Ministerpräsidenten. Dieses Format, das seit Monaten über die wichtigsten Entscheidungen in Deutschland bestimmt, sei „nicht demokratisch legitimiert“ und „nicht durch Wahlen gerechtfertigt“, kritisierte Focus-Gründer Helmut Markwort im September im Interview mit mir. Eine Beschlussvorlage für die Konferenz sieht einschneidende Schritte vor (unten ist das Original dokumentiert). Schon am Mittag wurde aber klar, dass es beim ersten Punkt, der Corona-Schulpolitik, keine Einigung gibt. Zumindest zunächst. Hier hatte Bayerns Ministerpräsident Söder eine einheitliche Regelung gefordert. Obwohl Bayern historisch immer für Föderalismus und gegen Zentralismus stand.

Wichtigste Punkte der Beschlussvorlage sind: noch drastischere Beschränkungen bei den Kontakten, ein Verbot auch privater Feiern bis Weihnachten, eine Ausweitung der Maskenpflicht auch an Schulen und bei Bedarf geteilte Schulklassen. Fest stand vorab offenbar nur eines: Es wird keine Lockerungen geben. Parallel zu der Konferenz soll der Bundestag am Mittwoch das sogenannte „Dritte Corona-Gesetz“ verabschieden. Es sieht weitreichende Ermächtigungen für das Gesundheitsministerium und Einschnitte in die im Grundgesetz verankerten Grundrechte vor. Für Mittwoch sind ab Vormittag Proteste dagegen vor dem Reichstag geplant.

Demokratischer Offenbarungseid

In dem Papier heißt es: „Inwieweit die Maßnahmen, die am 2. November in Kraft getreten sind, ausreichen, um die Zahl der Neuinfektionen zügig wieder zu senken, lässt sich derzeit nicht präzise vorhersagen.“ Das ist ein demokratischer Offenbarungseid. Wie sieht es mit der Verhältnismäßigkeit bei massiven Einschnitten in die Freiheit aus, wenn sich ihre Folgen im Hinblick auf das gestellte Ziel „nicht präzise vorhersagen“ lassen?

Als Begründung für die weitere Verschärfung der Maßnahmen trotz sinkender Fallzahlen heißt es in der Beschlussvorlage nach diesem Eingeständnis der Unklarheit: „Der Verlauf der letzten Tage lässt hoffen, dass die hohe exponenzielle Infektionsdynamik gestoppt werden konnte, ein Sinken der Neuinfektionszahlen ist jedoch noch nicht absehbar. Deshalb sind weitere Anstrengungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens erforderlich.“ Zum einen werden hier Begriffe vertauscht, denn mit „Neuinfektionszahlen“ ist die Zahl der positiv Getesteten gemeint. Zum anderen sind genau diese Zahlen derzeit im Sinken begriffen. Insofern ist die Aussage „ein Sinken der Neuinfektionszahlen ist jedoch noch nicht absehbar“ falsch. Es ist im Gange. Man könnte schreiben, ein „kontinuierliches Sinken“ ist nicht absehbar. Aber so viel Genauigkeit oder gar Klarheit, wie die bisherigen Maßnahmen wirken, hält man bei der Einschränkung von elementaren Grundrechten offenbar für gar nicht mehr nötig.

Bezeichnend ist, dass genau dieser sehr wichtige Aspekt in den großen Medien kaum thematisiert wird. So sollen die Maßnahmen im Einzelnen aussehen:

Kontaktbeschränkungen

In der Öffentlichkeit darf man sich nur noch mit den Angehörigen des eigenen und maximal zwei Personen eines weiteren Hausstandes treffen, wenn es nach der Beschlussvorlage geht: „Dies gilt verbindlich, und Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen werden entsprechend von den Ordnungsbehörden sanktioniert.“ Weiter wird ausgeführt: „Darüber hinausgehende Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen sind angesichts der ernsten Lage in unserem Land inakzeptabel. Bund und Länder wirken bei den verstärkten Kontrollen zusammen.“

Quarantäne bei Schnupfen

„Jenseits von Ge- und Verboten“ müssten Bürgerinnen und Bürger „ihre privaten Kontakte in den kommenden Wochen noch einmal deutlich reduzieren“, heißt es in dem Bereich. Private Zusammenkünfte mit Freunden und Bekannten sollten sich generell nur noch auf einen festen weiteren Hausstand beschränken. Menschen mit Erkältungssymptomen und insbesondere bei Husten und Schnupfen sollten sich unmittelbar nach Hause in Quarantäne begeben. „Dort sollen sie fünf bis sieben Tage bis zum Abklingen der Symptome verbleiben“, heißt es. „Dort sei darauf zu achten, die Distanz auch zu anderen Mitgliedern des Hausstandes und insbesondere zu Risikogruppen im Haushalt zu wahren.“ Hier stellt sich die Frage, inwieweit diese „Freiwilligkeit“ freiwillig bleibt. Denn Menschen mit Erkältungssymptomen müssen bei solchen regierungsamtlichen „Empfehlungen“ mit enormem sozialen Druck rechnen.

Wegsperren auf Verdacht?

In  bestimmten „Clustern“ wie Schulen oder Unternehmen sollen Maßnahmen wie Quarantäne auch ohne positives Testergebnis angewendet werden. „Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit ist die Isolierung von Kontakt- bzw. Ausbruchclustern im Vergleich zu Beschränkungsmaßnahmen ein milderes Mittel“, heißt es. Begründet wird diese damit, dass „eine vollständige Nachverfolgung von Kontakten oft nicht möglich ist“ (siehe diesen Bericht über unglaubliche Zustände in Gesundheitsämtern.). Die rechtliche Frage, inwieweit eine Isolation ohne positives Testergebnis überhaupt möglich ist, wird gar nicht erst gestellt. Bei wohlwollender Auslegung könnte man zwar in diesen Text hineininterpretieren, dass er nur die alte Praxis fortschreibt. Aber warum wird er dann im neuen Maßnahmenkatalog aufgeführt? Hier spricht vieles dafür, dass noch schneller und quasi auf Verdacht Leute in den eigenen vier Wänden weggesperrt werden sollen.

„Kinder und Jugendliche“ sind angehalten, „sich nur noch mit einem festen Freund oder einer festen Freundin in der Freizeit zu treffen“, heißt es in dem Papier. Auch das wirft Fragen auf, etwa nach den sozialen Folgen. Experten warnen schon heute vor einer „Kindeswohlgefährdung“ durch die Corona-Politik (siehe hier). Weiter sollen die Bürger laut Beschlussvorlage „auf freizeitbezogene Aktivitäten und Besuche in Bereichen mit Publikumsverkehr sowie nicht notwendige private Reisen und touristische Tagestouren gänzlich verzichten“.

Impfzentren

Die Länder sollen laut der Beschlussvorlage Impfzentren und -strukturen ab dem 15. Dezember bereitstellen. Und zwar so, dass eine kurzfristige Inbetriebnahme möglich ist. Schon bis Ende November sollen die Länder an den Bund melden, wie viele Impfungen sie am Tag planen.

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Hier die Beschlussvorlage:
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Bild: Lightspring/Shutterstock
Text: br
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