„Folgen werden mit jedem Monat schlimmer“ Professor Homburg warnt vor "Festhalten an absurden Maßnahmen"

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Er hält den Lockdown für einen Fehler und den deutschen Umgang mit der Pandemie für einen Irrweg: Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg ist einer der bekanntesten Kritiker der Corona-Politik. Im Interview geht der Professor und Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover hart mit unseren Entscheidungsträgern und Journalisten ins Gericht und erklärt die Mechanismen, die er hinter ihrem Kurs sieht. Und er zeigt auch einen Hoffnungsschimmer auf.

Reitschuster: Herr Prof. Dr. Homburg, Sie haben den Lockdown heftig kritisiert. Ihre Kritiker wiederum sagen, nur wegen des Lockdowns ist es nicht so schlimm gekommen, wie es sonst gekommen wäre. Was entgegnen Sie denen?

Prof. Dr. Stefen HomburgProf. Homburg: Inzwischen stützen weitere internationale Studien meine damalige Analyse. So hat das National Bureau of Economic Research (NBER), ein renommiertes amerikanisches Institut, festgestellt, dass man bei Vergleichen zahlreicher Staaten keinen Zusammenhang erkennt zwischen der Härte des Lockdown und den jeweiligen Erkrankungs- oder Sterbezahlen. Schweden, das auf einen Lockdown verzichtete, hatte eine höhere Pro-Kopf-Sterblichkeit als Deutschland, das stimmt. Aber Staaten mit viel härteren Lockdowns, wie Spanien oder Italien, haben weit höhere Sterbezahlen pro Kopf. Und ein Staat wie Peru, der zu den härtesten Maßnahmen weltweit griff, liegt ganz oben bei den Sterbezahlen, während Südkorea oder Japan, die keinen Lockdown hatten, minimale Sterbezahlen aufweisen. Man erkennt aus den Beispielen, dass die Lockdowns keine signifikanten Wirkungen hatten, obwohl das zur Rechtfertigung der unverhältnismäßigen Beschränkungen oft behauptet wird. 

Reitschuster: Aber ist es nicht bei einer noch relativ unbekannten Krankheit sinnvoller, doch auf Nummer Sicher zu gehen und nichts zu riskieren, auch wenn es sich im Nachhinein dann als übertrieben darstellt?

Prof. Homburg: Diese Frage betrifft den Kern des Problems. Der alte Hippokrates hatte als Leitmotto für die Ärzte ausgegeben, am wichtigsten sei es, nicht zu schaden: Primum non nocere. Erst wenn man sicher sei, dass eine Behandlung funktioniere, solle man behandeln, aber nicht einfach so. Analog kann Unsicherheit über ein Virus keine drakonischen Maßnahmen rechtfertigen, die riesige gesundheitliche, soziale, psychische und wirtschaftliche Schäden verursachen. Und der Satz „rather safe than sorry“, den Sie sinngemäß zitieren, verdreht meines Erachtens das Problem und kann nur von jenen ernsthaft vertreten werden, denen der Lockdown nicht geschadet, sondern bisweilen sogar genutzt hat. Abgeordnete, Minister und manche Beamte saßen bei vollen Bezügen bequem im Homeoffice, teilweise bis heute. Aber Gastronomen, Selbständige und Millionen Arbeitslose und Kurzarbeiter sind durchaus „sorry“, nämlich infolge der Maßnahmen. Es ist ein falscher Ansatz, auf bloßen Verdacht mit dem Holzhammer zuzuschlagen. Klüger wäre es gewesen, man hätte im März vorsichtig reagiert und erkannt, dass die Coronawelle einer Influenzawelle ähnelt und drastische Maßnahmen genau so wenig angezeigt sind wie in den Vorjahren.

Reitschuster: Aber nochmal. Musste man damals nicht wegen der Unwissenheit die Notbremse ziehen?

Prof. Homburg: Nein. Wenn man sich Mitte März die Zahlen anschaute, sah man, dass Corona in China bereits verschwunden war, mysteriöserweise übrigens. Auch in Südkorea gingen die Zahlen zurück. In Deutschland sank die Reproduktionszahl in der ersten Märzhälfte. Daher ist es vollkommen unverständlich, warum ab Mitte März immer weiter eskaliert wurde mit Schulschließungen und zum Schluss dem generellen Lockdown. Das waren politische Fehlentscheidungen. Schweden hat uns gezeigt, wie man es besser macht. 

Reitschuster: Zwei Fragen zum schwedischen Modell. Zum einen, die Kritiker des schwedischen Modells sagen, hier sind prozentual ein Vielfaches an Menschen ums Leben gekommen als in Deutschland, darum war das verantwortungslos. Die andere Frage ist: Warum wird das schwedische Modell in Deutschland eigentlich kaum mehr diskutiert? Warum liest man in den Medien so wenig darüber? Warum findet hier keine offene Diskussion über das schwedische Modell und die Resultate statt?

Regierungspropaganda nachplappern

Prof. Homburg: Der erste Punkt ist einfach. Schweden hat zwar etwas höhere Sterbezahlen als Deutschland, aber niedrigere als Belgien oder Spanien. Die Sterbezahlen hängen eben von vielen Faktoren ab, nicht bloß vom Lockdown. Es ist falsch zu sagen, je härter der Lockdown, desto geringer die Sterbezahlen. Wenn man sich international die Korrelationen anguckt, wird vielmehr der gegenteilige Zusammenhang sichtbar. Ihre zweite Frage, Herr Reitschuster, ist viel schwieriger. Sie betrifft nämlich die Medienberichterstattung. Und diese ist mir ein Rätsel. So etwas wie Ideenwettbewerb oder fairen Meinungsaustausch gab es lange Zeit nicht. Vielmehr wurde jeder, der medizinische oder zahlenmäßig fundierte Kritik an den Maßnahmen übte, alsbald in eine rechte Ecke gestellt. Obwohl es da überhaupt keinen Zusammenhang gibt und ich auch genug Linke kenne, die der Meinung sind, dass die Beschränkungen eine unmenschliche Politik waren und sind. Dass die Medien nicht im Wettbewerb standen, wie wir das seit Jahrzehnten kennen, also zum Beispiel pro Steuersenkung oder contra Steuersenkung, sondern unkritisch ein und dieselbe Regierungspropaganda nachplapperten, ist seltsam und bedauerlich.

 

Reitschuster: Es ging ja sogar soweit, dass bei YouTube mein Interview mit Prof. Bhakdi  zensiert wurde. Und das war widerrechtlich, wie jetzt eine Entscheidung des Landgerichts Berlin ergab. Das Problem ist nur, dass eben viele nicht klagen können, weil das sehr aufwändig ist und auch finanziell riskant. Der Intendant des SWR hat offen gesagt, dass es sozusagen ein Bildschirmverbot für Prof. Bhakdi gibt. Jetzt haben wir aber eine neue Entwicklung. Vor kurzem kam ein Beitrag bei ARD-extra, und der klang eigentlich so wie das, was Sie sagen, also was die sogenannten Corona-Ketzer in ihrer Argumentation verwenden. Sehen Sie da einen Umschwung oder erste Anzeichen für einen Umschwung? 

Prof. Homburg: Ja, ich knüpfe an das an, was Sie zu Prof. Bhakdi sagen. Mir ist es ebenso ergangen wie ihm. Auch von mir wurden mehrere Videos auf YouTube gelöscht. Ich habe zuvor nie mit YouTube gearbeitet, das ist eigentlich nicht meine Welt. Aber nachdem alle anderen Medien versperrt waren, waren Videos zeitweise die einzige Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen. Auf YouTube habe ich in einem Interview mit Milena Preradovic Anfang Mai eine Grafik gezeigt, die die täglichen Sterbezahlen in Deutschland darstellt. Die Grafik zeigt, dass in Deutschland pro Tag ungefähr 2 500 Menschen sterben, und darunter war eine Kurve mit den geringen Corona-Sterbezahlen abgebildet. Dieses Video wurde von YouTube als staatszersetzend angesehen und gelöscht. In der Sendung ARD-extra vom 5. Oktober aber, die Sie eben ansprachen, tauchte genau diese Graphik plötzlich auf, und ich traute meinen Augen nicht. 

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Reitschuster: Ich traute meinen Augen eben auch nicht. 

Prof. Homburg: Die Grafik war schöner als meine, weil das Fernsehen auch mehr Mittel hat, sie war perfekt gemacht und animiert. Es war genau die Grafik, die ich Ende April entwickelt hatte, die aus einer synoptischen Zusammenführung von Daten des Statistischen Bundesamtes und des RKI bestand. Insofern würde ich die Frage, ob allmählich ein Meinungsumschwung stattfindet, vorsichtig bejahen, bin aber nicht sicher.

Reitschuster: Es gab massive Kritik an dieser Sendung der ARD. Es hieß unter anderem, sie würde die Wachsamkeit und auch die Vorsicht der Menschen unterwandern. Wie sehen Sie diese Vorwürfe?

Prof. Homburg: Diese Sendung war für mich die erste aufklärerische Sendung, die weder alarmistisch noch herunterspielend das Problem so beschrieb, wie es ist. Derartige Sendungen hatte ich mir seit März gewünscht. Aber damals waren alle Sendungen auf Panikmache aus. Und das würde ich nicht allein dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen anlasten, sondern es war bei den Privatsendern und den privaten Printmedien nicht anders.

Reitschuster: Worauf führen Sie das zurück?

Prof. Homburg: Weil ich damals mit Journalisten und Politikern gesprochen habe, die ich lange und gut kenne, bin ich jedenfalls sicher, dass es nicht zentral gesteuert war, das war auch nicht möglich. Ich glaube, es handelt sich eher um etwas, was man in meiner Wissenschaft ein Gefangenendilemma nennt. Im Gefangenendilemma handelt jeder für sich genommen so, wie es opportun erscheint, aber insgesamt ergibt sich eine Situation, die für alle schlecht ist. So haben die Medien den Bürgern Angst eingejagt. Durch die Angst wollten die Bürger dann auch nur noch weitere Horrormeldungen sehen. Die Politiker haben erkannt, dass derjenige, der die schärfsten Maßnahmen fordert, in den Umfragen plötzlich die besten Werte hat. Damit meine ich insbesondere Markus Söder, der in der Beliebtheit durch seine Rhetorik und die Härte der bayerischen Maßnahmen unglaublich dazugewann.

Nichts mehr gelöscht

Das ist ein Teufelskreis, aus dem man nur langsam rauskommt. Aber in den letzten Wochen hat sich schon etwas geändert. Es gibt jetzt beim Privatsender Servus TV jeden Sonntag unsere Talkshow, das Corona-Quartett. Ich denke, dass dort auch viele Journalisten zuschauen und sich anhören, was die verpönten Professoren Sucharit Bhakdi und Stefan Homburg eigentlich für Argumente haben. Wir sind zwei Wissenschaftler, die bis Februar dieses Jahres einen untadeligen Ruf hatten. Wir haben sachlich unsere Kritikpunkte vorgebracht, sind aber doch zeitweise, vor allem im Mai und Juni, unfair und hart angegangen worden. Aber auch das hat sich jetzt seit geraumer Zeit geändert. Es wird auch nichts mehr von uns gelöscht. 

Reitschuster: Werden Sie in das öffentlich-rechtliche Fernsehen eingeladen?

Prof. Homburg: Ich bin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen 25 Jahre lang aufgetreten, und auch im Zusammenhang mit Corona gibt es zum Beispiel einen O-Ton von mir aus dem Heute Journal und viele Radiointerviews mit WDR, MDR und so weiter. Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt, als sich die Stimmung verhärtete im Mai, habe ich keine Anfragen mehr bekommen von öffentlich-rechtlichen Sendern. Ich denke aber, dass sich das auch wieder ändern wird. 

Reitschuster: Nun gab es ja auch massive Anfeindungen gegen Sie, wie dramatisch waren die und was hatte dies für Folgen für Sie?

Prof. Homburg: Einige Medien wie die Süddeutsche Zeitung haben Artikel über mich fabriziert, die nichts mit Journalismus zu tun haben und zu zahlreichen Abokündigungen führten. Ich darf nur einen Satz aus dem Tagesspiegel zitieren, der dabei den Vogel abgeschossen hat. Der Tagesspiegel stellte mich als Verschwörer hin, sagte aber nicht, worin meine Theorie eigentlich besteht und schrieb dann, ich zitiere das aus dem Kopf: „Homburg arbeitet mit offiziellen Zahlen und zieht daraus schwer widerlegbare Schlüsse, genau das macht ihn so gefährlich.“

Reitschuster: Das ist ja, das klingt ja wie Kafka oder Orwell.

Prof. Homburg: Das, würde ich sagen, ist Kafka. Ich habe Kafka gelesen, vor allem den „Prozess“ und …

Reitschuster: Entschuldigen Sie, dass ich lache, aber das ist Galgenhumor.

Prof. Homburg: Ja, genau das Empfinden, was Kafka dort in seinem Buch ausdrückte, das habe ich in der Zeit auch gehabt. Aber das war, wie gesagt, vor allem im Mai und Juni. In letzter Zeit entspannt sich die Lage. Auf Dauer werden hoffentlich die sachlichen Argumente, die Prof. Bhakdi, Dr. Wodarg, ich und viele andere beibringen und die auch international, in den USA, in UK, in Frankreich, Belgien beigebracht werden, die Oberhand gewinnen. Auf Dauer kann man gegen Daten, Zahlen und Fakten nicht mit Ideologie und drittmittelgetriebener Pseudowissenschaft ankommen. 

Reitschuster: Nun hat die Bundeskanzlerin gewarnt vor einer ganz dramatischen Entwicklung, bis zu 20 000 Neuinfektionen am Tag, kann man das wirklich auf die leichte Schulter nehmen?

Prof. Homburg: Ich zitiere dazu Herrn Kollegen Hendrick Streeсk, der vor einigen Tagen zu Recht festgestellt hat, dass uns 20 000 positive Tests pro Tag keine Angst machen sollten. Ich denke, man muss eher beobachten, was in den Krankenhäusern vor sich geht. Auf dem Höhepunkt der sogenannten Pandemie hatten wir eine extreme Unterauslastung der Krankenhäuser. Für 410 000 Krankenschwestern und Ärzte in Krankenhäusern wurde Kurzarbeit angemeldet. Außerdem wurde immer gesagt, was auch einleuchtet, eine zweite Welle werde noch leichter sein als die erste, weil schon höhere Immunität besteht. Ich wüsste wirklich nicht, was da Schlimmes kommen sollte. Eigentlich gefährlich ist nicht das Virus, sondern es sind die Angst, die Panik und vor allem die politischen Fehlentscheidungen, die viele Menschenleben gekostet haben. 

Reitschuster: Jetzt nehmen wir mal an, Sie haben Recht und die Bundesregierung hat sich falsch entschieden. Aber kann das denn wirklich sein, dass weltweit fast, dass alle Regierungen plötzlich verrückt sind, alle die gleichen Fehler machen und alle das Virus viel zu ernst nehmen?

Prof. Homburg: Das ist normalerweise die letzte Frage, Herr Reitschuster, die mir gestellt wird, wenn ich am Ende einer langen Diskussionen viel Zahlenmaterial aufgetischt habe und meinem Gegenüber nichts mehr einfällt. 

Reitschuster: Können sich Millionen Fliegen irren, die berühmte Frage. 

Prof. Homburg: Ich antworte immer, dass man mit demselben Argument auch beweisen kann, dass der erste Weltkrieg eine gute Sache war. So viele Regierungen, die am Ende der Belle Époque in diesen Krieg eingetreten sind, können doch nicht geirrt haben! Diese Argumentationsfigur ist aber so absurd, dass sie nicht verfangen kann. Sie verkennt genau das, was ich mit dem Ausdruck Gefangenendilemma beschrieben habe: Dadurch, dass alle etwas individuell Opportunes tun, entsteht nicht notwendig insgesamt Gutes. Es ist im übrigen nicht so, dass alle Staaten denselben Fehler begangen haben, denn es gibt ja genug Staaten, drei hatte ich eben genannt, die Überreaktionen wie einen Lockdown vermieden und gut aus der Sache herauskamen.[themoneytizer id=“57085-28″]

Reitschuster: Jetzt nehmen wir mal an, Sie hätten völlig recht mit Ihren Thesen und die Bundesregierung hätte sich geirrt, dann wäre die Frage, was ist denn die Exit-Strategie für die Bundesregierung, denn wenn sie das jetzt offen zugeben würde, hätte das ja fatale Folgen für ihr Ansehen in der Öffentlichkeit, für ihre Politik. Könnte sie das jetzt überhaupt so offen zugeben, ohne das Risiko des völligen Vertrauensverlustes?

Prof. Homburg: Das kann sie nicht, und darin liegt ein gesellschaftspolitisches Problem. Im Juni hat die große Koalition ein Konjunkturpaket beschlossen, und dessen entscheidender Satz lautet, obwohl er mit Konjunktur eigentlich nichts zu tun hat, dass die epidemische Lage nationaler Tragweite, wie man sie juristisch nennt, dass also dieser Notstand so lange aufrecht erhalten bleibt, bis ein Impfstoff existiert. Ich glaube, dass dieser Satz die geplante Exit-Strategie der Bundesregierung beschreibt: Sobald ein wirksamer ungefährlicher Impfstoff verfügbar wäre, könnte die Regierung ihn verteilen lassen und sofort alle Maßnahmen aufheben und zwar mit der Begründung, dass es zwar ein unglaublich gefährliches Virus gibt, aber nun ja den Impfstoff. Das Fatale an der Strategie ist aber, niemand weiß, wann es einen Impfstoff gibt, ob es überhaupt einen geben wird und vor allem, welches die Risiken dieses Impfstoffs sein werden. Denn normalerweise dauert eine Entwicklung viele Jahre. Ein Impfstoff innerhalb weniger Monate ist noch nie auf den Markt gekommen. Und somit könnte uns blühen, dass wir nur aus Gründen politischer Rationalität noch lange Zeit im Notstand verharren, obwohl es dafür medizinisch überhaupt kein Argument gibt. 

Reitschuster: Wie groß schätzen Sie die Risiken solcher kurzgeprüften Impfungen ein? Würden Sie persönlich das riskieren für sich?

Prof. Homburg: Wenn das Produkt auf dem Markt ist, würde ich zwei Professoren meines Vertrauens fragen, nämlich Sucharit Bhakdi und Stefan Hockertz. Sie beschäftigen sich ihr Leben lang beruflich mit Infektionen und Impfungen, und wenn sie mir sagen, das ist ein guter Impfstoff, dann würde ich mich impfen lassen, andernfalls nicht.  

Reitschuster: Wie stehen Sie zu der Maskenpflicht? Zu ihr gibt es ja sehr widersprüchliche Angaben, auch was die Studien angeht.  Und teilweise geht sie bis zur Pflicht zum Tragen von Masken in der freien Luft, wie es in Bayern der Fall war. 

Prof. Homburg: Tagsüber an der freien Luft Masken tragen zu müssen oder in meinem Fall oft in menschenleeren U-Bahn-Stationen, das zeigt den unsachlichen Rigorismus, der dahinter steckt. Für mich ist entscheidend, dass die WHO und die medizinische Literatur bis März im Zusammenhang mit respiratorischen Infektionskrankheiten eine allgemeine Maskenpflicht als ungeeignet angesehen hatten. Dann hat die Politik sich umentschieden, und seither prasselt es „Studien“, die zeigen, wie wirksam Masken sein sollen. Gleichzeitigt wird gesagt, man solle Klassenzimmer lüften, weil das Virus durch Aerosole übertragen wird. Aber wenn das Virus nicht durch Tröpfcheninfektion, sondern rein durch Aerosole, also durch winzigste Bestandteile der Atemluft, übertragen wird, helfen Masken evident nichts. Die aerosolhaltige Luft entweicht gleichwohl, so lange der Mensch atmet.

Reitschuster: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise sehen Sie? Es wird ja nun massiv mit Neuverschuldung gearbeitet, ist das nachhaltig? Kann man das einfach mit „Gelddrucken“ in Anführungszeichen lösen? 

Prof. Homburg: Es gibt dieses schöne Buch von Reinhart und Rogoff, inzwischen 11 Jahre alt, mit dem Titel „This Time is Different“, also „Diesmal ist alles anders“. Dieser Spruch drückt die Hoffnung aus, dass Staatsbankrott und Inflation „diesmal“ nicht zu befürchten seien, auch wenn hunderte Staatsbankrotte und Inflation gezeigt haben, dass verquere Haushaltspolitiken stets ihren Tribut fordern, wenngleich mit einiger Verzögerung. Ich finde die exorbitante Schuldenpolitik des Bundes, der Länder und Gemeinden sowie neuerdings auch der Europäischen Union verantwortungslos. Statt auf automatische Stabilisatoren zu setzen, hat man sich in einen wahren Ausgabenrausch hineingesteigert und finanziert nun alle möglichen Lieblingsprojekte unter dem Deckmantel „Corona“, für die man früher keine Mehrheiten fand.

Bedrohungssituation wie im Krieg

Deutschland hatte eine Schuldenstandsquote von unter 60 % und konnte sich einen großen Schluck aus der Pulle leisten, aber nach den Vorausschätzungen kommen wir schon durch die jetzt beschlossenen Maßnahmen und den Wirtschaftseinbruch in die Nähe einer Schuldenstandsquote von 90 %. Wie lange sich das wiederholen und fortführen lässt, ist unklar. Wichtige Industrien, zum Beispiel Tourismus- und Flugzeugindustrie, hängen am Subventionstropf, und wie soll es besser werden? Derzeit wird Panik geschürt für den Winter, und ich fürchte, dass mindestens bis zum Frühjahr übertriebene und schädliche Beschränkungen bestehen bleiben. Als im Sommer die Testzahlen auf den absoluten Tiefpunkt fielen, wurden die Beschränkungen nicht aufgehoben, sondern es wurden im Wochentakt „Ausbrüche“ wie in Gütersloh oder Göttingen über den Äther gejagt, als ob wir uns trotz minimalster Prävalenz in einer Bedrohungssituation im Krieg befänden.

Reitschuster: Sie sagen wie im Krieg. Gibt es auch irgendein mögliches positives Szenario, das Sie sehen, wie sich das ganze im günstigsten Fall entwickeln könnte? 

Prof. Homburg: Eigentlich bin ich Optimist, Herr Reitschuster. Nicht gewollt, sondern von Natur aus, seit meiner Geburt. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise vor 10 Jahren gehörte ich zu den wenigen, die vor übertriebener Panik gewarnt haben. Aber diesmal muss ich schon sagen, wir haben sehr starke wirtschaftliche Einbrüche, wir haben enorme soziale Schäden, und auch gesundheitliche Schäden durch verschobene Operationen, Vereinsamung, verminderte Kontakte. Was mir jedoch am meisten zu denken gibt ist der enorme Vertrauensverlust in unser politisches System. Es gibt sehr viele Menschen, die am Jahresanfang glühende Fans unseres Grundgesetzes waren und jetzt, nachdem für sie Unerklärliches geschehen ist, nach einer neuen Verfassung rufen und dunkle Mächte am Werk wähnen. Ich bin nicht sicher, ob man das so leicht reparieren kann, und mit jedem Monat des Festhaltens an den überzogenen und absurden Maßnahmen wird die Sache schlimmer.

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PS: Material, das Prof. Dr. Homburg als Ergänzung schickte:

Bild: Dan76/Shutterstock
Text: br

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