Israel als Feigenblatt?

Auf den ersten Blick wirkt es sehr vernünftig, was die Große Koalition da gerade vorschlägt: Sie will das Verbrennen ausländischer Flaggen generell unter Strafe stellen. „Wer öffentlich die Flagge eines ausländischen Staates zerstört oder beschädigt“, dem droht den Plänen zufolge künftig eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, wie die „taz“ unter Berufung auf einen Antrag SPD- und Unions-Fraktionen im Bundestag berichtete.

Grund für die Initiative ist demnach vor allem das Verbrennen israelischer Flaggen auf Demonstrationen. Die geschah bisher schon mal unter den Augen der Polizei vor dem Brandenburger Tor – wobei danach sogar Vorwürfe laut wurden, die Beamten hätten eher die Fahnen-Verbrenner vor Kritikern geschützt, als etwas gegen das Abfackeln zu unternehmen.

Kein vernünftiger Mensch könnte etwas gegen eine Neuregelung haben, die solche Exzesse unter Strafe stellt. Wenn man genauer hinschaut, entdeckt man dann aber doch Fußangeln. Ich musste sofort an meine Zeit in der Lebensmittelknappheit in der Sowjetunion 1990 denken, als es das System des sogenannten „Ballasts“ gab: Da wurden begehrte Güter wie Kaffee nur verkauft, wenn man auch noch einen Ladenhüter wie den berüchtigten, ungenießbaren „Algensalat“ mit kaufte.

Und hier ist der „Algensalat“: „Die Koalitionsfraktionen wollen die Strafrechtsänderung offenbar nicht mit einem eigenen Gesetzentwurf durchsetzen, sondern als Änderungsantrag zu einem Gesetzentwurf aus dem Bundesrat, der europäische Symbole besser vor Verunglimpfung schützen soll“, wie es etwa in der „Welt“ dezent weit unten im Artikel über das Fahnen-Verbrenn-Verbot heißt – dort, wohin sich nur zähe Leser durchkämpfen.

Weiter ist im letzten Absatz des „Welt“-Artikels zu lesen: „Der Bundestag debattiert am Mittwoch erstmals über diese Vorlage aus der Länderkammer. Demnach soll das öffentliche Verächtlichmachen der europäischen Flagge oder Hymne mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet werden. Auch das Entfernen, Zerstören, Beschädigen oder Unkenntlichmachen einer öffentlich angebrachten europäischen Flagge soll strafbar werden.“

Ich frage mich inzwischen manchmal, ob es nicht sinnvoller wäre, Artikel heute von hinten nach vorne zu lesen. Bis zu drei Jahre Haft für das „Verächtlichmachen der europäischen Flagge oder Hymne“ – ich denke, das wäre auch einen Platz in den vorderen Zeilen wert gewesen.

Sauber recherchiert wäre der Artikel gewesen, wenn man dann auch noch hinzugefügt hätte, dass die gleiche Regelung heute schon für die deutsche Flagge gilt. § 90a StGB besagt:

1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3)

1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder

2. die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

De facto wird damit die Fahne und die Hymne der EU der deutschen Fahne gleichgestellt. Zumindest was ihren Schutz angeht. Das kann man gut finden oder schlecht. Aber man sollte es nicht durch die Hintertüre einführen oder in Berichten am Ende verstecken.


David gegen Goliath

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Bilder: Pixabay

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