Mikroplastik und Lastenfahrräder statt Corona und Gewalt Wie sich das Parlament in Berlin um die brennenden Themen mogelt

Von den erstaunlichsten Geschichten erfährt man oft zwischen den Zeilen. Durch einen Nebensatz in einem Gespräch mit dem Berliner FDP-Abgeordneten Marcel Luthe für eine unglaubliche Geschichte zu Corona, die ich morgen hier veröffentlichen werde, wurde ich heute darauf aufmerksam, womit sich das Abgeordnetenhaus der Hauptstadt an diesem Donnerstag mitten in der Krise auf seiner Sitzung beschäftigte. Unter anderem stand auf der Tagesordnung:

  • Umdenken bei der Ortsumfahrung Ahrensfelde – Lösung Kemberger Straße prüfen und realisieren – auf Antrag der AfD-Fraktion
  • Mikroplastik auf Sportanlagen: Bezirke und Vereine nicht alleine lassen – auf Antrag der CDU-Fraktion
  • Umsetzung des Regenwassermanagements ausweiten und beschleunigen – auf Antrag der FDP-Fraktion
  • Registrier- und Versicherungspflicht für gewerblich sowie im Leih- und Mietbetrieb genutzte Lastenfahrräder – auf Antrag der AfD-Fraktion
  • Endlich wieder mehr Kultur wagen – Theater und Konzertsäle verantwortungsbewusst auslasten – auf Antrag der FDP-Fraktion
  • Potenzial öffentlicher Flächen als Bildungsraum nutzen – auf Antrag der CDU-Fraktion
  • Absenkung der Altersgrenze für Bürgerdeputierte – auf Antrag der CDU-Fraktion

All diese Anträge mögen für sich genommen wichtig sein. Aber gibt es im Moment nicht andere Prioritäten? Mitten in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, wie Merkel die Situation nannte? „Seit Monaten könnten die Parlamente Generaldebatten zur erratischen Corona-Verordnungspolitik führen und damit ihrer Kernaufgabe – der Regierungskontrolle – nachkommen“, klagt der Abgeordnete Luthe: „Aber weder Koalitions- noch Oppositionsfraktionen ist das Thema offenbar wichtig genug, um endlich transparent und klar über die Tatsachengrundlagen zu diskutieren. Statt dieses immens wichtige Thema zu diskutieren – oder zumindest die unerträgliche Situation von über 200 Vergewaltigungen durch Gruppen oder in anderer besonders schweren Weise in den letzten Monaten in Berlin – befassen sich alle Fraktionen einhellig mit Kinkerlitzchen. Warum machen die Bürger hier keinen Druck?“

Auch dass 2020 in fünf Monaten mehr als 50 Minderjährige Opfer von Vergewaltigungen wurden, wäre sicher ein Thema für das Parlament, das die Bürger bewegt. Ebenso wie das Verschweigen der Vergewaltigung einer 15-Jährigen und Ausschreitungen der „Partyszene“ gegen die Polizei durch die Berliner Behörden im August. Pustekuchen! Was ist das schon gegen die „Absenkung der Altersgrenze für Bürgerdeputierte“!

Und erst die Regierungsparteien. Die bringen Anträge wie diesen ein:  „Wissenschaftliche Studie zur Erforschung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Corona- Pandemie für Berlin – auf Antrag von SPD, der Fraktion „Die Linke“ und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.“ Ob eine „wissenschaftliche Studie zur Erforschung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Corona- Pandemie für Berlin“, wie die Linke, SPD und Grüne gemeinsam fordern, bahnbrechende Erkenntnisse zu Tage fördern wird, und das Geld nicht besser aufgehoben wäre, wenn man es für die direkte Unterstützung Betroffner ausgegeben hätte, sei dahin gestellt. Politikverdrossenheit dagegen scheint durch solche Schwerpunkte im Parlament garantiert.

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Bild: AndreyPopov/iStock
Text: red

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