„Positiv getestet heißt nicht infiziert“ Mikrobiologe: „Die Öffentlichkeit wird bei den Corona-Zahlen getäuscht“

1.600 positiv Getestete in der Belegschaft des Fleisch-Konzerns Tönnies im Kreis Gütersloh, aber nur 20 davon, die wirklich krank waren? Wie kann das sein? Bereits dieser Tage ist ein Interview des Virologen Christian Drosten aus dem Jahr 2014 wieder entdeckt worden, in dem er massiv die PCR-Corona-Tests kritisierte, von denen er heute behauptet: Sie „sind fehlerfrei“. Er hatte damals teilweise ähnliche Vorbehalte, wie sie heute seine Kritiker geltend machen (Details siehe hier). Jetzt klagt der Mikrobiologe Andreas Bermpohl an: „Die Öffentlichkeit wird bei den Corona-Zahlen getäuscht.“

Leider sind es nur zwei Regionalzeitungen in Nordrhein-Westfalen, die Bermpohls Abrechnung mit den Tests und vor allem auch der Berichterstattung und dem Umgang mit ihnen publizieren: Das Haller Kreisblatt und die Neue Westfälische. Wie beinahe üblich heutzutage bei fast allen, die auch nur leise Kritik an den Corona-Maßnahmen üben, schickt der Mikrobiologe laut dem Beitrag all seinen Ausführungen eine Rechtfertigung voraus: „Ich habe in den vergangenen 25 Jahren keiner Partei angehört, ich bin kein Esoteriker, kein Reichsbürger, kein Extremist. Nicht politisch orientiert.“ Er ist auch kein Corona-Leugner, zitiert ihn das Blatt weiter: „Das ist ihm wichtig zu sagen, denn er weiß, wie schwierig es derzeit ist, Kritik an den Corona-Maßnahmen zu äußern, ohne dabei selbst als Spinner ins Abseits zu geraten.“

Der promovierte Diplom-Biologe sagt laut Kreisblatt: „Hier läuft was falsch. Was das Robert-Koch-Institut da macht, ist unwissenschaftlich.“ Und weiter: Die Corona-positiv getesteten Personen werden als Infizierte gewertet. „Dies ist infektionsepidemiologisch und auch sachlich falsch!“ Der Öffentlichkeit werde suggeriert, dass es aktuell einen starken Anstieg der Corona-Infizierten gebe. „Stimmt nicht“, behauptet Bermpohl.

Die vorherrschende Meinung in Fachkreisen ist der von Bermpohl diametral entgegen gesetzt. Demnach ist eine Infektion die „Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus“, wie es im Infektionsschutzgesetz steht. Eine Infektion ist demnach nicht gleichzusetzen mit einer Infektionskrankheit, kann aber zu einer solchen führen. Damit ist ein Mensch, wenn das Virus in den Proben seiner Atemwege nachweisbar ist, nach vorherrschender Meinung zwar infiziert. Aber nicht unbedingt krank und auch nicht unbedingt „infektiös“, also ansteckend. Als Gegenposition zu den Aussagen von Bohmpohl sei hier der Ausgewogenheit halber auf einen so genannten „Faktencheck“ des Recherchebüros „Corretiv“ verwiesen (nachzulesen hier). Der Vergleich beider konträr entgegengesetzter Positionen erleichtert eine eigene Meinungsbildung.

Genau die fordert auch Bermpohl: Wichtig sei es, sachlich zu diskutieren, wie sicher die heute angewendeten Corona-Tests den Nachweis einer SARS-COV 2-Infektion belegen. Da viele Menschen selbst keine Kompetenz in diesem Bereich hätten, müssten sie auf Sachzusammenhänge vertrauen, die teilweise einzig und allein Fachleuten zugänglich seien. Wichtig sei es dabei zu verstehen, was ein PCR-Test, im Volksmund „Corona-Test“ wirklich belege, so Bermpohls laut Kreisblatt: „Ein PCR-Test kann durch Abstriche diagnostisch nur den Verdacht auf eine Infektion darstellen, da er nur Teile eines Infektionserregers oder den Erreger an einem Ort wie etwa der Schleimhaut nachweist. Der Nachweis der bloßen Anwesenheit ist nicht ausreichend für die ’Tat’: die Infektion von Epithelzellen des Atemtraktes. Und selbst bei ausgeführter ’Tat’ führt eine Infektion nicht zwangsläufig dazu, selbst als Individuum infektiös zu sein und auch nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung des betroffenen Individuums.“

[themoneytizer id=“57085-1″]

Zumindest diese Aussage Bermpohls ist offenbar auch die allgemein vorherrschende Meinung in Fachkreisen. Die allerdings in den meisten Medien kaum deutlich wird. Weshalb in der Bevölkerung hier offenbar viele Missverständnisse herrschen. Oft wird nicht zwischen „positiv Getesteten“ und Kranken unterschieden.

‘Nicht zwangsläufig infiziert‘

Zur Verdeutlichung seiner Kritik und des Prinzips nennt Bermpohl die Rhinoviren, die als Verursacher des gewöhnlichen Schnupfen gelten. Sie seien zu jedem Zeitpunkt und  regelmäßig auf den Schleimhäuten aller Menschen anzutreffen. „Wir bemerken diese Kandidaten nicht, wir sind nicht infiziert, sind nicht infektiös und sind nicht erkrankt und trotzdem besiedeln sie unsere Schleimhäute“, so Bermpohl gegenüber der Zeitung: „Natürlich könnten diese Viren bei geschwächter Abwehrlage zur Erkrankung führen. ,Aber Achtung! Positiv getestet mit der PCR-Methodik heißt nicht zwangsläufig infiziert, nicht zwangsläufig infektiös und schon gar nicht erkrankt.‘ Nach Bermpohls Meinung werden diese Kategorien aktuell in der öffentlichen Darstellung in einen Topf geworfen.“

[themoneytizer id=“57085-28″]

Heftige Kritik übt Bermpohl am Kurs des Robert-Koch-Instituts, das als entscheidende Instanz für die Corona-Politik der Bundesregierung gilt. Und auf dass sich auch die Bundeskanzlerin und Gesundheitsminister Jens Spahn berufen. „Das Verhalten 
des RKI finde ich 
grob fahrlässig“, so der Mikrobiologe im Kreisblatt. In der elften Kalenderwoche meldete das Robert-Koch-Institut 100.457 Corona-Tests pro Woche, in der 34. Woche Mitte August waren es 987.423. Bermpohl: „Es ist meines Erachtens grob fahrlässig, diese Testzahlen in die Höhe zu treiben, um dann noch durch einfaches Aufaddieren der positiv Getesteten zu behaupten, dass die Infektionszahlen steigen. Es geht hierbei um die Infektionsrate – also das Verhältnis der insgesamt Getesteten zu positiven Befunden“, und die sei von der 11. Woche (5,95 Prozent) zur 34. Woche auf 0,88 Prozent gesunken, wie der Lagebericht des RKI am 26. August dokumentiere. Der Mikrobiologe weiter: „Das RKI veröffentlicht so etwas aber nur im Hintergrund. Warum?“ Diese Frage wollte Andreas Bermpohl vom RKI gerne beantwortet wissen, um es verstehen zu können. Dreimal hat er angefragt. Im Frühjahr erhielt er eine Rückantwort: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir in dieser Zeit priorisierte Anfragen von medizinischem Fachpersonal beantworten und die Beantwortung von Anfragen aus der Allgemeinbevölkerung zurückstellen.“

Auch bei der Kreisverwaltung von Gütersloh fragte der Mikrobiologe nach, wie es sein könne, dass in der Tönnies-Belegschaft 1.600 Männer und Frauen positiv getestet wurden, aber nur 20 tatsächlich erkrankt sind. Bermpohl hatte auf eine wissenschaftliche Antwort gehofft. Sein Vorschlag: Mit Ärzten zusammen Bluttests bei positiv getesteten Probanden vorzunehmen, um Gewissheit über die tatsächliche Infektionsrate zu erhalten. „Das wäre eine einmalige Chance gewesen, um valide Daten zu haben, die es ja bislang nirgendwo gibt. Aber es hat niemand Interesse gehabt“, so der Mikrobiologe zum Kreisblatt.

‘Wenig appetitliche Ergebnisse‘

Bedenken hat Bermpohl auch wegen der Maskenpflicht. Insbesondere wegen des oft sehr unhygienischen Umgangs mit der „Mund- und Nasenbedeckung“.  Mikrobiologische Untersuchungen, die er selbst machte, hätten wenig appetitliche Ergebnisse gebracht. Als Hygieniker sieht Bermpohl eine Pflicht zum Maskentragen als fragwürdig, solange keine vernünftige Aufklärung über den Umgang mit der Bedeckung erfolgt. „Wir schießen mit Kanonen auf Spatzen“, sagt  der Mikrobiologe laut Kreisblatt: „Die Bundesregierung hat uns allen im Frühjahr erklärt, dass die Maßnahmen notwendig sind, um unsere Kliniken nicht zu überlasten. Das waren sie zu keinem Zeitpunkt“, und deshalb sei es nur folgerichtig, die Maßnahmen zu lockern. „Dem RKI habe ich lange vertraut und es auch zitiert. Nun kann ich das nicht mehr, und zwar aufgrund von veröffentlichten Statistiken, von denen jeder Student der Naturwissenschaften schon in den ersten Ausbildungssemestern lernt: Eine Interpretation in diese Richtung ist grob fahrlässig.“

[themoneytizer id=“57085-19″]

Der Mikrobiologe fordert mehr Austausch und mehr Diskussion zu Corona. Die Zahlen werden im November wieder steigen, weil dies üblich sei für Viren, so Bermpohl. Auch deswegen dürften „nicht immer nur dieselben vier oder fünf Personen in den Fernsehtalkshows sitzen und ihre Meinung dazu sagen“, sondern es müssten auch andere Meinungen zugelassen werden. Ein breiter Austausch sei erforderlich: „Wir haben fantastische Professoren, Lehrstühle der Virologie, Epidemiologie, Pathologie sowie Experten der Mathematik, Statistik, Pflege, Diagnostik, Hygiene, Psychologie und Pädagogik und nicht zuletzt hervorragende Hausärzte in Deutschland. Warum werden diese nicht eingebunden?“

Dass genau dies nicht geschieht, belegt etwa, dass die wenn auch strittigen, so doch interessanten Aussagen von Bermpohl eben nur im Haller Kreisblatt zu finden sind bzw. hinter einer Bezahlschranke in der „Neuen Westfälischen“. Die bildet offenbar eine Redaktionsgemeinschaft mit dem Kreisblatt. Später erschien dort noch ein Leserbrief-Artikel mit dem Titel „Wissenschaftliche Außenseiterpositionen“ – wobei bei den meisten Lesern wohl nur diese Überschrift hängen bleibt, da der Rest des Beitrags ebenfalls hinter einer Bezahlschranke versteckt ist. Tatsächlich wirkt es zweifelhaft, dass Bermpohl das Wort „Infektion“ anders definieren will, als in der Wissenschaft üblich. Doch abseits dieser Wortklauberei erscheint seine Argumentation und Kritik durchaus nicht abwegig.

Und gerade „Außenseiterpositionen“ sind wichtig für die Debatte. Und auch für die Wissenschaft. Die Forderung nach einer Maskenpflicht war etwa bis März in Deutschland noch „Außenseiterposition.“ Zum anderen deckt sich vieles von dem, was Bermpohl zu den Tests sagt, mit dem, was vor sechs Jahren noch Drosten selbst vertrat. Und heute viele Kritiker geltend machen. Abwegig kann es also zumindest nicht sein.

„Swissmedic“, das Schweizerische Heilmittelinstitut und damit vergleichbar mit dem Robert-Koch-Institut in Deutschland, schrieb bis vor kurzem auf einem offiziellen „Merkblatt mit den wesentlichen Aspekten betreffend der COVID-19 Testung in der Schweiz“:  „Der Nachweis der Nukleinsäure gibt jedoch keinen Rückschluss auf das Vorhandensein eines infektiösen Erregers“.

(Das Original dieses Merkblatt ist im Anhang beigefügt.)

Inzwischen wurde der Satz von Swissmedic umformuliert. Seit 1. September steht da, dass der Erreger nachgewiesen ist durch den PCR-Test (aber eben nicht, dass dieser Erreger infektiös ist).

Faszinierend, wie leicht hier Missverständnisse entstehen und wie hoch komplex die Materie ist. Gerade das zeigt: Wir brauchen eine breite Diskussion. Und die wird von Medien und Politik massiv behindert.

[themoneytizer id=“57085-2″]

Transparenzhinweis: In der ursprünglichen Version hieß es: „Leider sind es nur eine kleine Regionalzeitung in Nordrhein-Westfalen, die Bermpohls Abrechnung mit den Tests und vor allem auch der Berichterstattung und dem Umgang mit ihnen publiziert: Das Haller Kreisblatt“. Ich hatte die Neue Westfälische nicht aufgeführt, weil sie, wie später im Text erwähnt, den Artikel hinter einer Bezahlschranke stehen hat. Publiziert hat sie ihn aber dennoch – deshalb habe ich auf einen Hinweis von den Kollegen hin meinen Satz entsprechen dahingehend geändert, dass den Beitrag zwei Regionalzeitungen veröffentlicht haben. Wobei die beiden zusammen gehören und insofern dann doch wieder der Ursprungssatz in bestimmter Weise richtig ist. Die Besitzstrukturen der Medien sind heutzutage kompliziert…


Bild: zstock/Shutterstock
Text: red

[themoneytizer id=“57085-16″]
Loader Wird geladen …
EAD-Logo Es dauert zu lange?

Neu laden Dokument neu laden
| Öffnen In neuem Tab öffnen

Download [211.94 KB]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert